Druck und Gegendruck

■ In der Vegesacker Beiratssitzung gaben die Fraktionen dem Kulturbahnhof und KITO im Packhaus Rückendeckung

In einer Dringlichkeitssitzung am Dienstagabend hat sich der Beirat Vegesacks für eine Fortsetzung der Förderung von Kulturbahnhof und KITO eingesetzt, und zwar in schönster Einhelligkeit, alle Parteien Seite an Seite, ganz anders also als die Spar-Kontrahenten in der Bürgerschaft. Auf Initiative von CDU und den Grünen einigten sich die Fraktionen auf einen entsprechenden Antrag. Staatsrätin Margit Hohlfeld war bei der Sitzung anwesend und zerstreute Gerüchte, nach denen in einer Senatsvorlage bereits konkrete Pläne zu Einsparungen bei den beiden großen Vegesacker Kulturinstitutionen enthalten seien.

In der Sitzung wurde deutlich, wie tief das Misstrauen zwischen Kultur, Politik und Behörde sitzt. Der Vorsitzende von Kulturbahnhof Udo von Stebut nannte die Umsetzung der Kulturverwaltungsreform „dilettantisch“. In der Indus-trie, so Stebut, wäre ein solch verunsicherndes Vorgehen mit einer „knalligen Pleite“ bestraft worden. Staatsrätin Hohlfeld nahm daraufhin ihre Behörde in Schutz und schob die Verantwortung weiter auf die Politik. Dilettantisch sei nicht die Reform, sondern vielmehr „die Eintütung dieses Verfahrens“. Die Verwaltung erledige nur die Arbeit, die ihr aufgetragen werde.

Konkrete Vorschläge wurden schließlich doch noch angesprochen. Von Stebut warb für eine intensivere Verbindung des Kulturbahnhofs mit dem KITO. Das Bahnhofsgebäude bietet ein großes Fassungsvermögen, welches das KITO für publikumsintensive Konzerte nutzen könnte. Der Kulturbahnhof hingegen ist an der Nutzung der KITO-Räumlichkeiten für Kunstseminare interessiert. So könne „aus eins und eins mehr als zwei“ herauskommen. KITO-Geschäftsführer Klaus Hößelbarth äußerte sich zu diesen Vorschlägen nicht. Allerdings setzte er sich gegen Hohlfelds Behauptung zur Wehr, seine Institution schließe jedes Jahr mit einer viertel Million Mark Schulden ab. Die Summe, so Hößelbarth, addiert sich aus den vergangenen vier Jahren und ist mit der absurden Erhöhung der Steuer für ausländische Künstler durch den Bund zu begründen.

Viel Konkretes über Möglichkeiten einer Zukunftssicherung war angesichts der ungeklärten Finanzierungsfragen natürlich nicht zu hören. Dafür wurden wieder einmal die alte Kultur-als-Standortfaktor-Karte und das Kultur-vor-Ort-Argument gezückt. Schließlich will man keine Politik der Zwei-Klassen-Kultur, bei der die Hochkultur gefördert, die Stadtteilkultur hingegen fallen gelassen wird.

„Erwarten Sie bitte nicht, dass wir die Bremer Oper hierher verlegen“, antwortete Hohlfeld auf diesen Vorwurf, unterstrich aber, dass sie sich für die Stadtteilkultur einsetzen wolle. Ob's was bringt, bleibt freilich ungewiss. Und gerade das ist das Nervenaufreibende in dieser Situation des Abwartens. Wie angefasst die kulturellen Einrichtungen sind, wurde deutlich, als von Stebut für eine Zustimmung zu den Anträgen aufforderte: Kultursenator Schulte, so die Begründung, wird wohl angesichts der aufgeregten Situation den Weg des geringsten Widerstands gehen. Allein aus diesem Grund dürfe man im Vergleich zu anderen Stadtteilen nicht zurückstehen. Man müsse gleichfalls festen Druck ausüben: Davon, dass die besseren Argumente zählen, scheint also wohl niemand mehr auszugehen. Bis die ersten Entscheidungen endlich getroffen sind, wird daher wohl noch so manches Gerücht kursieren und noch manche hektisch einberufene Beiratssitzung nach sich ziehen.

Johannes Bruggaier