Welt in Not

Bedrückend brutal: Das Postfuhramt zeigt unter dem Titel „Berlin. In einer Hundenacht“ Fotografien von Gundula Schulze Eldowy aus den Jahren 1977–87

Gundula Schulze Eldowy ist eine international bekannte Fotografin. Seit Ende der Achtzigerjahre wurden ihre Arbeiten mehrfach in großen Museen gezeigt, meistens allerdings im Westen. Schulze Eldowy aber kommt aus dem Osten. Seit der Wende lebt und arbeitet sie „auf Reisen“.

Den Ausgangspunkt ihres Werkes bilden die Aufnahmen, die sie zwischen 1977 und 1987 in der DDR machte. Diese sind nun unter dem Titel „Berlin. In einer Hundenacht“ im Alten Postfuhramt zu sehen. Die leicht verkommene Atmosphäre dieses Ortes passt sehr gut zu den düsteren Inhalten der schwarzweißen Aufnahmen von Schulze Eldowy. Diese zeugen von einer Welt, die aus Not, Alters- oder Suchteinsamkeit, tristen Stadtlandschaften und unfassbaren Arbeitsbedingungen besteht.

In den Eingangsbereich der Austellung hat der Kurator Jan Thorn-Pikker schon erschienene Ausstellungsbesprechungen an die Wand geklebt. Thorn-Pikker kocht vor Wut und schimpft über die Kulturpolitik der Stadt. Der Senat hat unter der Ägide von Christa Thoben Förderungen zugesagt. Jetzt aber ist Thoben zurückgetreten. Aus diesem Grund musste Schulze Eldowy nun ihre Passepartouts nicht nur selber schneiden, sondern Thorn Prikker hat sich für die 8.000 Mark Miete auch hoch verschuldet. Nun hofft er, dass der Eintrittspreis von 3 Mark das Publikum zahlreich in die Ausstellung lockt.

Diese ist in erster Linie denen gewidmet, die auf den Fotografien gezeigt werden. Und das sind keine wohlhabenden Menschen. Schulze Eldowy kennt diese Menschen, sie hat mit ihnen gelebt, und sie hat sie auf ähnliche Art fotografiert, wie es Nan Goldin mit der Szene des Westens tat.

„Mir fiel damals auf, dass die ganzen wunderschönen Bilder um mich herum absolut nichts mit mir zu tun hatten. Über das, was meinem Leben ähnlich sein könnte, erfuhr ich nichts, sah ich nichts“, schreibt Gundula Schulze Eldowy. „Erst später, als ich in den verstaubten Bibliotheken suchte, fand ich die Bilder von Diane Arbus, Henri Cartier-Bresson, Paul Strand und anderen, die mit so viel Mitgefühl und Wärme das Leben der anderen Menschen sahen. Das waren keine Bilder, mit denen man eine Wohnung dekorieren könnte.“

Texte von Schulze Eldowy sowie biografisches Material begleiten die Bilder. In einer Vitrine ist ein Brief von Schulze Eldowy zu lesen, den sie 1994 an Robert Frank schickte. Was sie ihm schrieb, fasst die Austellung zusammen: „Ich zeige Bilder aus Deutschland. Hart, brutal, und bedrückend.“ YVES ROSSET

„Berlin. In einer Hundenacht“, Altes Postfuhramt, Oranienburger Str. 19–21, bis 29. 4., tgl. von 13 bis 18 Uhr, Fr. u. Sa. bis 24 Uhr. Heute um 18 Uhr hält der Historiker Laurenz Demps einen Vortrag über Berlin-Mitte vor und nach dem Krieg. Am 24. 4. findet um 20 Uhr eine Lesung von Gundula Schulze Eldowy statt. Vom 13. 4. bis 20. 5. zeigt die Galerie imago fotokunst Arbeiten von Schulze Eldowy über Ägypten.