Kribbeln mit Cola

Wohnen im Waschsalon und den guten vom bösen Müll sortieren: Hannu Salonens Film „Downhill City“ handelt vom wahren Berlin

Der Regisseur Eoin Moore wurde unlängst im Radio gefragt, warum er einen Film über Loser gedreht habe. Das stimme so gar nicht, antwortete der gebürtige Ire, sein Berlin-Film „plus minus null“ handle gerade nicht von Verlierern, sondern von ganz normalen Menschen.

Zweierlei kann man daraus schließen: Durchschnittstypen kommen in ihrer Durchschnittlichkeit (die als langweilig gilt) kaum im deutschen Kino vor. Und, was schwerer wiegt: Gerade in Berlin ist mit der nervösen neuen Mitte eine Karrieristenschicht entstanden, die Bauarbeiter und Karstadt-Verkäuferinnen als Loser stigmatisiert – allein schon, weil sie in ihrem Leben nie eine Website designen werden.

Großstadtpflänzchen in der Burger-Braterei

Der erst achtundzwanzigjährige Finne Hannu Salonen, den mit Eoin Moore nach eigener Einschätzung der fremdelnde Blick auf Berlin verbindet, hat mit „Downhill City“ eine Geschichte von sechs ziemlich vereinzelten Großstadtpflänzchen verfilmt. Allesamt irrlichtern sie durch das, was man früher romantisch Asphaltdschungel nannte.

Zugegeben: die Protagonisten sind nicht gerade Gewinnertypen. Der sanft wirkende und mitunter aggressive Sascha kommt gerade aus dem Knast und findet vorerst Unterschlupf im letzten (?) besetzten Berliner Haus in der Köpenicker Straße 137. Die supersüß sächselnde Peggy (Franka Potente) arbeitet unter einer dicken Hornbrille versteckt bei der Hamburger-Braterei „Heaven’s Burger“. Dort taucht der finnische Musiker Artsi (Teemu Aromaa) auf. Der trinkt so viele Cola-Pappbecher leer, bis sein Magen so doll kribbelt, dass er sich sicher sein kann, wirklich in Peggy verknallt zu sein. Die hatte gerade ihren schwitzigen, fitnesssüchtigen Kickboxer-Freund verlassen. Der hielt sein Training für Arbeit. Ein wenig erinnert diese ganze Truppe an die verblichenen 80er. Egoismus setzt sich erst langsam durch und es gibt noch Typen, die einem vorwerfen „unsolidarisch“ zu sein, wenn man keinen Bock mehr hat, den roten, gerade verreckten WG-Volvo zu schieben.

Salonens DFFB-Abschlussfilm ist ausschließlich mit der Handkamera gedreht. Oft gibt es fast zu wenig Licht, um die Figuren klar und deutlich auszuleuchten, was ihren Charakteren aber durchaus gut tut – man kommt ihnen nahe, ohne ihnen unangenehm auf die Pelle zu rücken.

Mann und Drehort sind echt, allein schon aus Geldmangel

Wenn Salonen seine Normalo-Typen ihre Behelfswohnzimmer in Waschsalons aufschlagen lässt, wo dann prompt der Punker reinkommt und sich auszieht, um sein einziges Kettenhemd zu waschen, hat man manchmal ein wenig Angst vor der Klischeehaftigkeit solcher Bilder. Meistens aber umschifft Salonen solche Peinlichkeiten einigermaßen geschickt.

Da heuert der finnische Musiker eben irgendwann aus Geldmangel bei Alba-Recycling an und trennt den guten vom bösen Müll – so wie es das duale System will. Der Vorarbeiter, der ihm gleich beim ersten Rundgang kumpelhaft kommt, sortiert eben auch im „echten Leben“ Müll. Mann und Location sind echt, schon allein des knappen Budgets wegen. So echt, dass man sich beim Betrachten freut, nicht auch noch den Gestank der „Wertstoffe“ sinnlich wahrzunehmen.

Filme wie „Downhill City“ machen Lust auf mehr Realismus im jungen deutschen Kino. Aus dieser Perspektive sehen die Filme über so genannte Gewinner, was die Wirklichkeitsanbindung betrifft, ziemlich loserhaft aus. Und einen so knalligen Soundtrack wie den von der finnischen Indierockband Pistepirkko 22 muss auch erst mal einer hinlegen.

ANDREAS BECKER

„Downhill City“. Regie: Hannu Salonen. Mit Franka Potente, Teemu Aromaa, Andreas Brucker u. a. Deutschland/Finnland 1999, 96 Min.