Türke und Tiger

In den USA gilt der Produzent Mousse T. längst als Star – aber zu Hausein der Bundesrepublik nimmt die Kritik ihn noch nicht so recht wahr

Wie eine Sexbombe sieht er nicht gerade aus – eher schon wirkt Mousse T. schüchtern. Doch die Songs des 32 Jahre alten DJs und Produzenten sprechen eine andere Sprache. „Horny“ hieß vor drei Jahren der erste Hit, derzeit penetriert Mousse T. den Äther mit „Sex Bomb“ – gesungen vom alternden Potenzprotz Tom Jones. Dessen Brunftschreie hat Mousse T. mit einem federnden Beat unterlegt – und mit Bläsersätzen, die man wohl spritzig nennen muss.

Der Türke und der Tiger: Das ist sicher das gegensätzlichste Macho-Duo der Pop-Geschichte, seit Jagger und Bowie zusammen „Dancing in the Street“ sangen. Im Musikvideo sieht man Mousse T. und T. Jones in Aktion: Ersterer lehnt sich lässig lächelnd in seinen Sessel zurück, während Letzterer den wilden Playboy markiert, dem die erigierten Brusthaare nur so aus der Kragenöffnung quellen. Nur: Tom Jones kennt man seit dreißig Jahren. Und wer bitte ist Mousse T.?

Bürgerlich heißt er Mustafa Gündogdu, was ein hübscher Familienname ist, bedeutet er doch so viel wie „Morning has broken“. Nur erschließt sich die Poesie des Türkischen nicht jedem, und der Spitzname „Musti“, wie ihn seine Freunde rufen, klingt leider auch nicht allzu cool. Darum hat sich Mustafa Gündogdu – wie viele Türken seiner Generation, die im deutschen Musikbusiness etwas werden wollten – irgendwann ein prätentiöses Pseudonym zugelegt. „Musti“ wurde Mousse T., weil das süß und elegant klingt – wie eine Mischung aus HipHop-Slang und Schokoladencreme.

Heute zählt Mousse T. zu den erfolgreichsten Remix-Produzenten der Republik, Anfragen kommen von so bekannten Auftraggebern wie den Fugees, Michael Jackson oder Bootsy Collins. In seinem Studio im Office der Plattenfirma „Peppermint Jam“ am Güterbahnhof von Hannover hat Mousse T. schon manche prominente Komposition neu abgemischt und mit fetten Beats auf Tanztauglichkeit getrimmt.

Trotzdem ist Mousse T. bodenständig geblieben und zeigt keine Berührungsängste, auch mal die Hand an ein Stück der Scorpions zu legen. Mit den Schmockrockern aus Hannover teilt er nicht nur den Wohnort, sondern auch das Los: Beide feiern Welterfolge, gelten zu Hause aber wenig. Denn in Deutschland wird Dancemusik von der Kritik nicht sonderlich ernst genommen – obwohl sie einen ständig wachsenden Marktanteil hat.

Deshalb ist Mousse T. hierzulande auch ein Außenseiter geblieben. In den USA, wo ein guter Groove mehr gilt als der Grad der musikalischen Verfeinerung, wurde er dagegen schon vor drei Jahren als Remix-Koryphäe für einen Grammy nominiert.

DANIEL BAX