Schlappe für Südkoreas Staatschef

Bei den Parlamentswahlen baut die oppositionelle Große Nationalpartei ihren Vorsprung aus. Präsident Kim Dae Jung kann sich allenfalls noch auf eine Minderheitenregierung stützen. Die Wirtschaftsreformen dürften jetzt stagnieren

von ANDRE KUNZ

Südkoreas Wähler haben Präsident Kim Dae Jung bei den Parlamentswahlen vom Donnerstag einen Denkzettel verpasst. Mit 115 Sitzen (vorher 104) im 273-köpfigen Nationalparlament hat die regierende Demokratische Millenniumspartei (MDP) die Mehrheit verfehlt. Korruptionsskandale und ein arroganter Regierungsstil haben ihrem Image so geschadet, dass die erfolgreiche Wirtschaftspolitik und der Entspannungskurs gegenüber Nordkorea wenig Einfluss auf das Resultat hatten.

Dagegen baute die oppositionelle Große Nationalpartei (GNP) mit 133 Sitzen (vorher 129) ihre Führung aus. Sie konnte mit Kritik an zu forschen Reformen in der Industrie und undemokratischen Prozessen gegen Kritiker Gewinne verbuchen. Großer Verlierer sind die Vereinten Liberaldemokraten (ULD) mit 17 Sitzen (vorher 50).

Obwohl die regierende Millenniumspartei von Präsident Kim Dae Jung Sitzgewinne verzeichnen konnte, ist die Ausgangslage für die Bildung einer neuen Regierung schwierig. Als Kim im Februar 1998 die Präsidentschaft antrat, gewann er die ULD unter der Führung des Altpolitikers Kim Jong Pil als Koalitionspartner und verfügte über eine solide Mehrheit. Diese Rechnung geht nicht mehr auf. Selbst wenn MDP und ULD wieder koalieren, verfügen sie über weniger Sitze als die oppositionelle Große Nationalpartei. Damit ist abzusehen, dass die Wirtschaftsreformen in den kommenden zwei Jahren gebremst werden.

Die Reformer im Stab des Präsidenten müssen umdenken. Eine geplante Privatisierung im Finanz- und Energiesektor wird kaum noch möglich sein. Auch der Verkauf von angeschlagenen Konzernen an ausländische Investoren wird schwieriger. Negative Auswirkungen werden vor allem in Verhandlungen um den Verkauf von Daewoo Motor und Samsung Motor spürbar werden. Für die Partner aus dem Ausland – Renault will Samsung Motor kaufen, Ford und GM haben Interesse an Daewoo Motors – hat sich die Situation verschlechtert.

Viele Beobachter waren erstaunt, dass sich die Ankündigung eines historischen Gipfels mit dem Norden im Juni nicht stärker zugunsten der Regierungspartei auswirkte. Dies zeigt, dass die südkoreanische Bevölkerung zwar den Entspannungskurs gegenüber dem Norden billigt, aber eine härtere Haltung fordert.

So wird Kim Dae Jung weniger Wirtschaftshilfe anbieten können und muss sich stärker auf Familienzusammenführungen konzentrieren. Im Koreakrieg (1950-53) wurden 2,5 Millionen Familien getrennt, und in Südkorea leben etwa 5 Millionen Menschen, die Verwandte im Norden besuchen möchten.

Trotz des enttäuschenden Ergebnisses für die Regierung ist die Demokratisierung in Südkorea einen großen Schritt vorangekommen. Eine Kampagne von Bürgergruppen gegen korrupte Politiker wirkte sich positiv aus. 38 korrupte und vorbestrafte Politiker sind abgewählt worden. Außerdem hat die Gewerkschaftsbewegung nach zwanzig Jahren Kampf für die Demokratie drei Vertreter im Parlament.