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Im niedersächsischen Delmenhorst ermittelt das Sozialamt gegen jüdische Einwanderer aus den GUS-Staaten, weil sie angeblich noch Wohneigentum in der Heimat haben. Interne Statistiken über „straffällige jüdische Emigranten“

Aus BremenEVA RHODE

In der Jüdischen Gemeinde in Delmenhorst herrscht Aufruhr. Viele der rund 300 Gemeindemitglieder sind erst in den letzten Jahren aus den ehemaligen Sowjet-Staaten in die Kleinstadt bei Bremen eingewandert, um der Diskriminierung und dem Antisemitismus zu entgehen. Doch jetzt sehen sie sich vom Delmenhorster Sozialamt schikaniert. Alarmiert ist auch der Landesverband der jüdischen Gemeinden Niedersachsens.

Anlass ist die Art, in der Mitarbeiter des Delmenhorster Sozialamts gegen sozialhilfeabhängige jüdische Kontingentflüchtlinge vorgehen, bei denen sie Wohnungseigentum im Herkunftsland vermuten.

Ein Abteilungsleiter des Sozialamts entwickelte ein Recherchesystem, mit dessen Hilfe die Behörden Privateigentum von Einwanderern aus den GUS-Staaten aufspüren können. Doch die Ergebnisse sind umstritten: Vielfach ist der Wert eines Hauses nur schwer zu ermitteln, oft wohnen Verwandte in den Häusern oder die Immobilien gehören mehreren Familienmitgliedern. In Einzelfällen, die nicht geklärt werden konnten, führten die Ermittlungen dazu, „dass wir die Sozialhilfe gesperrt haben“, räumte der Leiter des Delmenhorster Sozialamts, Peter Betten, ein.

Der zuständige Abteilungsleiter warf sogar in einem internen Schreiben an den Regierungsamtsrat im niedersächsischen Innenministerium, Karl-Heinz Thienel, die Frage auf, wie den Bürgern aus den GUS-Staaten „rechtsstaatliches Verhalten vermittelt werden kann“. Seine Thesen über die „kriminellen Energien“ der GUS-Zuwanderer untermauert der Abteilungsleiter mit internen Statistiken über „straffällige jüdische Emigranten“ im kommunalen Sozialhilfebezug, vom „Betrüger bis zum mutmaßlichen Auftragsmörder“.

Dass das Sozialamt die Angaben von Sozialhilfeempfängern überprüft, ist unter niedersächsischen Juden unumstritten. „Niemand hat etwas gegen seriöse Ermittlungen“, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden, Michael Fürst. „Aber man darf jüdische Kontingentflüchtlinge nicht in Bausch und Bogen zu Straftätern erklären.“

„Wir behandeln jeden Sozialhilfeempfänger gleich“, erklärt dagegen der Sozialdezernent der Stadt Delmenhorst, Friedrich Hübner. „Aus falsch verstandener Judenfreundlichkeit“ dürfe man jedoch nicht das Bundessozialhilfegesetz missachten. Das Sozialamt habe in zweijährigen Nachforschungen in 55 von bislang 100 Fällen Privatbesitz im Ausland ermittelt, über deren Wert man aber noch keine abschließenden Angaben machen könne.

Von den Ermittlungen Betroffene sind verzweifelt – einige können etwa die Wohnung der in der Ukraine zurückgebliebenen alten Mutter unter keinen Umständen verkaufen. Jüdische Gemeinden in Delmenhorst und Bremen helfen derweil mit Geldspenden aus, wenn Mitglieder in Not geraten, weil ihnen unter Verweis auf „ausländische Immobilien“ die Sozialhilfe gesperrt wurde.