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Der Tod als Klassenziel

■ Die Doku „Tisch No 6“ folgt Medizinstudenten beim Sezierkurs

Erinnert sich noch jemand an die mehrteilige True-Violence-Filmreihe Faces Of Death? Die galt Mitte der 80er als schwer kultivierter Härtetest für die größten aller Splatterfans, weil, da war echter Tod drin – in Form von Unfällen, Exekutionen oder Tierversuchen, pseudowissenschaftlich umgarnt von falschen Männern in Weiß. Insgesamt ein riesengroßer, voyeuristischer Quatsch, der den Thrill im Kill suchte.

Claudia Noelle Hauck hingegen hat mit derlei Sensationszwang nichts am Hut. Ihr Dokumentarfilm Tisch No 6 rollt den Leichnam von der Uni-Seite auf. Die 31jährige Filmemacherin hat sich in ihrer Schwarz-Weiß-Produktion einer Gruppe Studenten der Humanmedizin von der Uni Freiburg ans Skalpell geheftet wie diese im Kurs „Makroskopische Anatomie“ allesamt zum ersten Mal auf einen echten Toten treffen und diesen neuen Freund ein Semester lang präparieren müssen. Noelle-Hauck nutzt die Konfrontation der Kommilitonen mit dem Leichnam zur Fragestunde nach Sinn und persönlichen Qualitätsmaßstäben in Sachen was ist Leben, besitzt ein toter Körper eine Persönlichkeit, und wenn ja, wohin wandert sie, wenn ihr Wirt Schnitt für Schnitt in Einzelteile zerlegt wird?

Aber Tisch No 6 ist nicht nur ein als „besonders wertvoll“ deklarierter Beleg für das Wechselspiel aus Ekel und berufsbedingter Versachlichung, sondern thematisiert auch deren filmische Dramatisierung. An den Anfang der Dokumentation setzt Noelle Hauck die betriebliche Geschwätzigkeit der Studenten in Gegenschnitten zur Leichenwäsche durch die Profi-Präparatoren. Lange Kellergänge, umrissen von bedrohlichen Waberklängen. Skrupel breitet sich aus, als dem Verstorbenen der Rücken aufgetrennt wird.

Die Beschäftigung mit Toten wird zur Charakterstudie der einzelnen Kursteilnehmer. Da ist der kindliche Seelenvermuter, der den Geist des Toten achselzuckend im Irgendwo vermutet, oder jene Studentin, der die Hohlräume des Körpers gar nicht tief genug sein können. Und da soll noch jemand behaupten, altes Fett sei einfach nur eklig! Denn zu Weihnachten, als sich der Kurs dem Ende entgegen neigt, wird kaum noch präpariert, sondern locker geplauscht. Klassenziel erreicht, der Tod als zukünftiger Teil eines anstrengenden Berufsalltags. Oliver Rohlf

heute, 20 Uhr, Abaton (Zu Gast: die Regisseurin; im Anschluss: Anatomie)

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