Genossen auf Kuschelkurs

Auf allen Ebenen debattiert die Berliner SPD über ein Bündnis mit der PDS. Fraktionschef Wowereit will „alles unternehmen“, um die große Koalition 2004 nicht fortsetzen zu müssen

von DOROTHEE WINDENund RALPH BOLLMANN

In der Berliner SPD werden rote Socken zum Renner der Saison. Immer offener debattieren die Genossen über ein mögliches Bündnis mit der PDS. Den Gedanken, sich mit Hilfe der PDS aus der Umklammerung der CDU zu befreien, bezeichnete SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit im taz-Interview als „strategisch verständlichen Ansatz“. Die PDS-Option sei „sicher ein Thema, das wir diskutieren müssen“. Die SPD müsse „alles unternehmen, um 2004, nach 14 Jahren großer Koalition, zu einer Alternative für die Stadt zu kommen“.

Wowereit räumte ein, die Auseinandersetzung mit den Sozialisten habe durch den PDS-Bundesparteitag „einen schweren Rückschlag erlitten“. Jetzt müsse die PDS beweisen, „dass sie tatsächlich in ihren inneren Strukturen bündnisfähig ist“. Paradoxerweise habe sich nämlich inzwischen die Situation in der Stadt geändert, die PDS finde auch im Westteil immer mehr Akzeptanz.

Der frühere SPD-Spitzenkandidat Walter Momper hatte bereits vor dem Parteitag erklärt, er schließe eine Koalition mit der PDS künftig nicht mehr aus. Über die Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit der PDS will die SPD nun auf einer Veranstaltungsreihe diskutieren. Noch vor dem SPD-Landesparteitag im Juli werden zwei öffentliche Veranstaltungen stattfinden. Die erste wird sich mit der unterschiedlichen gegenseitigen Wahrnehmung von Ossis und Wessis befassen, die zweite wird anhand der PDS-Parteibeschlüsse die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Sozialisten führen. Wie SPD-Parteisprecherin Anja Sprogies gestern mitteilte, ist auch die Beteiligung prominenter PDS-Genossen geplant. Eine Premiere war am vergangenen Samstag der Besuch des scheidenden PDS-Vorsitzende Lothar Bisky in einer Zehlendorfer SPD-Abteilung. Laut Sprogies planen auch andere Kreisverbände lokale Veranstaltungen. „Das Thema steht überall auf der Tagesordnung.“

Landesvorstandsmitglied Andreas Geisel betonte gestern: „Das ist eine Debatte mit offenem Ende.“ Die PDS müsse sich entscheiden, ob sie Realpolitik oder Oppositionspolitik machen wolle. Wie Fraktionsvize Christian Gaebler gestern feststellte, wird die PDS-Debatte in der SPD inzwischen „etwas entspannter“ geführt. Es gehe jetzt darum, Anforderungen an die PDS zu formulieren. Der PDS-Parteitag sei nicht kontraproduktiv, sondern hilfreich gewesen, weil er die innerparteilichen Widersprüche gezeigt habe. Die geplanten Diskussionen könnten durchaus den Nebeneffekt haben, so manchem PDS-Anhänger die Widersprüche der Sozialisten vor Augen zu führen, so Gaebler. PDS-Wähler gewinne man nicht, indem man die PDS schlecht mache, sondern indem man die SPD als überzeugendere Partei präsentiere.

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