Israel plant Palästinenserstaat

Zum ersten Mal macht der israelische Ministerpräsident Ehud Barak konkrete Vorschläge, wie ein künftiger palästinensischer Staat aussehen soll. Die Staatsgründer in Wartestellung um Jassir Arafat sind alles andere als begeistert

von FLORIAN HARMS

Israels Regierungschef Ehud Barak ist deutlicher und positiver als jemals zuvor auf die Forderung der Palästinenser nach einem eigenen Staat eingegangen. Wenige Wochen vor dem Stichtag für die Unterzeichnung eines Rahmenabkommens zwischen Israel und den Palästinensern nannte der israelische Ministerpräsident die Bedingungen seiner Regierung für das Abkommen. Die palästinensische Seite kritisierte, Israels Regierung versuche, umstrittene Themen aus den Endstatus-Verhandlungen auszuklammern. Beide Seiten wollen bis Mitte Mai ein Rahmenabkommen abschließen, das bis September zu einem umfassenden Friedensabkommen ausgebaut werden soll.

Auf einer Kabinettssitzung am Sonntag erklärte Barak, er werde den Palästinensern im Westjordanland Gebiete übergeben, die diese für die Errichtung eines eigenen, zusammenhängenden Staates benötigten: „Niemand kann sich ernsthaft vorstellen, dass jede künftige palästinensische Einheit ein Protektorat oder ein autonomes Gebiet aus unzusammenhängenden Gebieten sein könnte.“ Momentan besteht die palästinensische Selbstverwaltung noch aus einem Flickenteppich von Städten und Dörfern, der 41 Prozent des Westjordanlands umfasst.

Gleichzeitig bestand Barak aber auf einer alleinigen israelischen Oberhoheit über Jerusalem. Einige mehrheitlich von Palästinensern bewohnte Vororte wie El Asarija und Abu Dis würden jedoch an die palästinensische Autonomiebehörde übergeben. Der israelische Regierungschef betonte, dass eine künftige „politische Einheit“ der Palästinenser demilitarisiert sein müsse. Die palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien, Syrien und Libanon dürften nicht in ihre Heimat zurückkehren, und Gebiete im Westjordanland mit einer „überwiegend jüdischen Bevölkerung“ würden von Israel annektiert. Die israelische Presse hatte am Samstag berichtet, dass Barak bereit sei, den Palästinensern bis zu 80 Prozent des Westjordanlandes zu überlassen. Barak selbst nannte keine Zahlen.

Die palästinensische Autonomiebehörde lehnte die Vorschläge Baraks am Sonntagabend ab. Sie nannte diese einen „Versuchsballon“ und forderte von Israel den vollständigen Rückzug aus den besetzten Gebieten und das Recht aller Flüchtlinge, „nach Palästina“ zurückkehren zu können. Nabil Aburdeneh, Berater von Jassir Arafat, unterstrich erneut die palästinensische Forderung nach einer Anerkennung Ostjerusalems als Hauptstadt eines Palästinenserstaates.

Vertreter der Palästinenserbehörde erklärten, die bevorstehende dritte Abzugsetappe der israelischen Armee aus dem Westjordanland dürfe nicht zum Bestandteil der Endstatus-Verhandlungen gemacht werden. Sie bezogen sich damit auf Äußerungen israelischer Minister, die den Abzug erneut verschieben und den Status Ostjerusalems bis nach dem endgültigen Abkommen ungeklärt lassen wollen.

Jüdische Siedler kündigten gestern den Bau neuer Siedlungen im Westjordanland an. Bei einem Gespräch mit Barak sollte der Ministerpräsident bewegt werden, den dort geltenden Baustopp aufzuheben. Der Siedlerrat, der die Interessen der 170.000 jüdischen Siedler im Westjordanland vertritt, setzt damit die palästinensische Seite unter Druck – ganz nach dem Vorbild Golan. Nachdem eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Syrien gescheitert war, hatte die israelische Regierung in der vergangenen Woche angekündigt, stornierte Förderprojekte auf den Golanhöhen freizugeben. Politische Kommentatoren verstanden dies als Warnung an den syrischen Präsidenten Hafis al-Assad, den Golan und damit die Wasserproblematik aus künftigen Verhandlungen auszuschließen.