Die gesetzlichen Krankenkassen werden teurer

Junge und gesunde Arbeitnehmer wechseln in Scharen in die Betriebskrankenkassen. Das hält deren Kosten und Beiträge niedrig

BERLIN taz ■ Die Vorstandsvorsitzenden einiger gesetzlicher Krankenkassen kündigen Beitragserhöhungen an. Ab 2001 müssten die Versicherten damit rechnen, sagte der Chef der DAK, Frutschki, in einem Interview. Wie viel aber Arbeitnehmer und Arbeitgeber künftig zahlen sollen, ließ Frutschki offen. Auch bei der AOK rechnet man mit Beitragssteigerungen.

Ihre Furcht begründen die Ersatzkassen mit einem „dramatischen Abgang junger Kassenmitglieder in die virtuellen Betriebskrankenkassen“. Eva Walzik, Berliner Sprecherin des Ersatzkassenverbandes VdAK, sagte gegenüber der taz, diese Betriebskrankenkassen (BKK) hätten 1999 einen Zuwachs von 900.000 Mitgliedern registriert.

In den vergangen fünf Jahren sind mehr als 30 BKKs entstanden. Sie bieten den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu attraktiveren Preisen. Während die AOK Berlin mit einem Beitragssatz von 14,9 Prozent an der Spitze liegt, verlangt die BKK Krupp Hoesch Stahl nur elf Prozent. Seit 1994 dürfen sich BKKs auch Mitgliedern von außen öffnen. Anders als die alteingesessenen überregionalen Kassen verfügen sie über kein weit verzweigtes Geschäftsstellennetz. Eine moderne BKK handelt ihr Geschäft am Telefon ab und betreut die Mitglieder via Internet.

Da die Kosten minimal sind, können die Beiträge niedrig gehalten werden. Die Überläufer selbst verursachen auch keine außergewöhnlich hohen Ausgaben, da sie meist nicht älter als 24 Jahre sind. Nach einer Studie der DAK wandern etwa 60 Prozent zu einer BKK, weil sie einen Beitragssatz unter zwölf Prozent hat.

Die BKKs freut der Zuspruch. Umso geringer schätzen sie die gestern geäußerte Kritik. Sie seien keine „Yuppie-Kassen“, entgegnet die Sprecherin des BKK-Bundesverbandes, Gerda Strack. Keine BKK würde sich nur die Rosinen herauspicken. „Die Mitglieder entscheiden doch selbst, zu welcher Kasse sie gehen“, sagte Strack. Der Vorwurf, AOK und Ersatzkassen müssten wegen der Mitgliederverluste die Beiträge erhöhen, sei eine „dreiste Verdrehung der Tatsachen“.

Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) sieht den Zank gelassen. Im vergangenen Jahr hätten die Kassen einen Überschuss von insgesamt einer Milliarde Mark gemacht, da sei für den Beitragssatz in diesem Jahr keine Gefahr, ließ sie mitteilen. Dass es zu Wettbewerbsverzerrungen komme, sieht die Ministerin. Experten sollen bis zum Frühjahr 2001 ein Gutachten dazu erarbeiten. ANNETTE ROGALLA

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