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frühjahrsgutachtenSCHÖNER SCHEIN DES WACHSTUMS

Es sieht ganz gut aus. Der Außenhandel hat die Wirtschaft auf Touren gebracht. Die Kapazitäten sind weitgehend ausgelastet, und es wird über neue Investitionen nachgedacht, um die Anlagen zu erweitern. Wird also die Zahl der Arbeitslosen zurückgehen, werden die Erwerbstätigen endlich mehr? Ja, versprechen unsere Konjunkturforscher in ihrem neuesten Frühjahrsgutachten. Was sie beeindruckt, sind die stabilen Preise, die bescheidenen Löhne und die moderaten Zinsen. Auch an der Bundesregierung wollen sie nicht mäkeln. Ergebnis: Wenn alles so weitergeht, so heißt es im vorgelegten Gutachten, wächst die Wirtschaft wie schon lange nicht mehr. In diesem Jahr sollen es 2,8 Prozent werden und im nächsten Jahr auch.

Allerdings gibt es mögliche Einwände gegen diese optimistische Prognose; doch auf sie geht das Gutachten nicht ein. Ob Turbulenzen am Finanzmarkt, Verschlechterungen in Ostdeutschland oder zu wenig Kaufkraft: So genau wollen es Regierung und Verbände gar nicht wissen. Sie sind sekundär motiviert. Denn das Frühjahrsgutachten soll die Grundlage für die nächste Steuerschätzung liefern. Mit dieser kann man dann in die anstehende Haushaltsrunde einsteigen. Sie wird bekanntlich dominiert von der Frage, wie Eichels Steuerreformen eigentlich zu finanzieren seien. Wird das Kalkül aufgehen, mit geringeren Steuersätzen mehr Staatseinnahmen zu erzielen? Das Frühjahrsgutachten hält dies für möglich. Jedes Steuerprozent, auf das verzichtet wird, werde reichlich durch Wachstum und Mehreinnahmen belohnt.

Wäre das Kanzleramt jedoch an einer realistischen Einschätzung der Situation interessiert, dann müsste etwa der jüngste Börsenkrach berücksichtigt werden. Denn die Kursabstürze treffen ausgerechnet die wachstumsintensiven Dienstleistungbranchen. Dass also der Motor des weltweiten Aufschwungs stottert, kann als ein guter Indikator dafür gelten, dass der Zenit der Konjunktur zumindest in den USA schon überschritten ist. Dies hätte unmittelbare Folgen auch für die Wachstumserwartungen in Europa. Die Konjunktur, hier gerade erst in Schwung gekommen, wäre bald schon wieder abgewürgt. Bedrohlich würde es auch für den Finanzminister: Die Rechnung, mit weniger Steuerforderungen mehr Einnahmen zu erzielen, könnte dann – wir sehen von Verteilungsfragen ab – nicht mehr aufgehen. FRITZ FIEHLER

Der Autor ist promovierter Sozialwissenschaftler und Ökonom

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