Epik und leise Tonschwälle

■ Vier Wände für ein Amen: Alboth! zeigen auch ohne den kleinen Bruder Helgoland, wie man den Körper vom Kopf aus besiegt

Eine wichtige Nachricht gleich vorweg: Alboth! werden im Molotow zwar spielen, nicht aber der allseits angekündigte kleine Bruder im Herzen, die Free-Grinder von Helgoland. Damit bricht das feine Trio aus Hamburg mit einer Mini-Gig-Tradition, die eben jene sympathische und vor allem sinnvolle Bandkonstellation vorschrieb und überlässt den Mammut-Musikern aus der Schweiz mit Wohnsitz in Berlin jenen anstrengenden Konzert-Prozess, den Körper vom Kopf aus zu besiegen.

Wo wir gerade bei Dominanz und anderen Kraftausdrücken sind: Wann immer Sekundärliteratur zum Thema Alboth! die Runde macht, wimmelt es vor martialischem Wortschwall: Anlässlich des aktuellen Albums des Trios, „Ecco A Fiesta“, ist da von „Wunderwaffe“ die Rede, mal kommt die Musik der drei Eidgenossen als „Urgewalt“ über uns, mindestens aber als „Jüngstes Gericht“ oder, wenn Milde waltet, auch als „dekonstruktivis-tischer Post Rock“. Fehlt eigentlich nur noch ein Amen!

Aber ganz so schlimm ist das natürlich alles nicht, auch dann nicht, wenn das Grollen, Rollen und konzertante Herumtoben nunmehr schon fast zehn Jahre auf dem Bu-ckel haben. Alboth!zu hören heißt, sich einem Ansatz auszusetzen, dessen Ambitioniertheit erdrü-ckend sein kann, weil alles auf die gesamte Idee angelegt ist.

Epik, lange Spannungsbögen und, jetzt neu, die Entdeckung und vollständige Einbettung leiser Tonschwälle in eine Maßeinheit von Musik, in der Manierismus groß geschrieben wird. Das extreme Ausloten von Sound-Vorstellungen, jede Regung ein Erlebnis für Heavy Listening, keine Musik für den kleinen Club nebenan. Eigentlich. Denn Alboth! sind, glücklicherweise – noch – kein Fall für das Schauspielhaus, der immensen bandinternen Fragestellungen zum Trotze. Keine Neubauten mit Hang zur Double-Bass, kein zweiter paukenlastiger Laibach-Stamm im drastischen Inszenierunsgefecht. Alboth! sind groß im Anliegen und transportieren Geschichte, aber so unscheinbar in der Geste, dass sie die vier Wände um sich herum zu brauchen scheinen. Oliver Rohlf

Freitag, Molotow, 22 Uhr