Benzinindustrie schneller

Schwefelfreier Sprit wird überraschend bundesweit eingeführt, doch Steuervorteile erst ab November 2001 – zu spät, meinen Umweltverbände

Wenigstens in einem Punkt sind sich Umweltverbände und Automobilindustrie einig: Beide plädieren schon lange für die schnelle Einführung von schwefelarmem Benzin. Für die Öko-Verbände steht die Verbesserung der Luftqualität im Vordergrund. Die Automobilfirmen sind am entgifteten Kraftstoff hingegen vor allem deshalb interessiert, weil sich nur damit die modernste, sparsamere Motorengeneration betreiben lässt und die Katalysatoren länger leben.

Aus diesem Grund hat auch die rot-grüne Regierung beschlossen, schwefelarmes Benzin steuerlich besser zu stellen: Auf alle schwefelhaltigen Sorten soll zukünftig eine zusätzliche Abgabe von drei Pfennig pro Liter erhoben werden. Aufgrund des Drucks aus Teilen der Mineralölindustrie wurde 1999 allerdings vereinbart, dass diese Regelung erst ab November 2001 greift. Eine schnellere Umstellung sei technisch nicht möglich, hieß es.

Diese Aussagen der Mineralölverbände sind seit vergangener Woche widerlegt: Fast zeitgleich kündigten die Konzerne Shell und BP an, neues Benzin einzuführen, das nicht nur schwefelarm ist (d. h. weniger als 50 ppm, parts per million Schwefel enthält), sondern die Bedingungen erfüllt, sich „schwefelfrei“ zu nennen (weniger als 10 ppm Schwefel). BP plant einen internationalen Großversuch in 40 Städten. Vorreiter in Deutschland ist München. Shell setzt hingegen auf ein bundesweites Angebot: Schwefelarmes Super gibt es bereits überall, und ab Juni wird an 900 von 1.600 bundesweiten Zapfstellen schwefelfreies Super-plus angeboten. Die Firma Greenergy bietet darüber hinaus bereits jetzt schwefelarmes Diesel und Normalbenzin an.

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fordert daher, die steuerlichen Anreize um ein Jahr vorzuziehen. „Es ist doch völliger Irrsinn, die Förderung mit eineinhalb Jahren Verspätung zu beginnen.“ Wegen des Mehrpreises von zwei bis drei Pfennigen je Liter drohe sonst die Einführung des entschwefelten Kraftstoffs zu scheitern, so Resch.

Für die Regierungskoalition kam die schnelle Einführung offensichtlich überraschend: Konkrete Pläne, die Förderung vorzuziehen, gibt es nicht. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller, will über diese Möglichkeit aber zumindest nachdenken. Reinhard Loske von Bündnis 90/Die Grünen ist verärgert über die Industrie: „Letztes Jahr haben sie eine frühere Förderung verhindert, und jetzt kann es ihnen auf einmal nicht schnell genug gehen.“

Im Umweltministerium weist man darauf hin, dass noch nicht alle Kraftstoffsorten schwefelarm verfügbar seien. Genau das würde sich durch die finanzielle Bevorzugung ändern, meint Axel Friedrich, Verkehrsexperte beim Umweltbundesamt: „Auch die Einführung von schwefelarmem Diesel und Normalbenzin würde durch die steuerlichen Anreize stark beschleunigt werden.“

MALTE KREUTZFELDT