Verlagsfernsehen eben

In den Programmen wimmelt es von TV-Ablegern großer und kleiner Illustrierter. Doch warum nur funktioniert „Super Illu TV“ im MDR, „Greenpeace TV“ auf RTL aber nicht? Eine Übersicht

von MARGRET STEFFEN

Lesen kann wirklich anstrengend sein. Um zu wissen, wie wir besser leben, spekulieren, mobben, schwitzen oder uns vom Partner trennen, müssen wir erstens eine Entscheidung zwischen fünf unf fünfzehn Mark am meterlangen Zeitschriftenregal fällen, uns hernach durch erbarmungslose Werbemassen blättern, nur um die schweren Stapel Hochglanz zu guter Letzt auch noch zum Altpapiercontainer zu schleppen. Wozu haben die Bilder Laufen gelernt? Um altbekannten Lesetiteln Beine zu machen – für Verlagsfernsehen eben. Immerhin rund 30 Stunden pro Woche ziert irgendein Logo, das wir sonst nur aus dem Kiosk oder Wartezimmer kennen, die Bildschirmecke.

Der Hamburger Milchstraßen-Verlag beispielsweise ist richtig gut darin, aus seinen Blättern Fernsehen zu machen, und verfrachtete gleich drei Printtitel (Max, Cinema und Fit for Fun) ins Programm von Vox und Pro7. „Das ist natürlich Markenpolitik“, sagt Milchstraßen-Sprecherin Ivonne von Steipel über die TV-Präsenz des Verlags. „Sobald sich ein Titel inhaltlich eignet, kann man den toll umsetzen.“

Ähnlich sieht man das wohl auch beim vorsichtigen Bauer-Verlag, der seit 1993 und mit viel Erfolg allerdings nur einen einzigen TV-Zögling hätschelt: das Magazin zum Bravo-Heft nämlich. Sonntagnachmittags, wenn die Zielgruppe „Kids“ das öde Wochenende einholt und sie Vergessen bei Startalk und Chartlisten suchen, sendet RTL2 sorgenfrei. Die Frauenzeitschriften des Bauer-Verlags hingegen „gehen ja schon fast in den Bereich der Yellow-Press und haben eine sehr große Auflage“, sagt Sprecherin Sandra Pöttinger. „TV-Formate sind da nicht nötig.“

Überhaupt scheint es mit den Frauentiteln so eine Sache: Für „Amica TV“ überließ die Junge-Frauen-Zeitschrift (wie Max usw. ebenfalls vom Verlag Milchstraße) vorletztes Jahr dem Musikfernsehsender Viva zwar nicht nur ihren prominenten Namen, sondern auch die komplette Konzeption (samt Inhalt). Doch nach einem Jahr mochte Amica seinen Verlag nicht verlängern und hinterließ nichts als einen Link auf der Viva-Homepage im Internet, der ins Leere führt.

Dorthin führte die Idee des Verlags Gruner+Jahr (G+J), „aus dem Print- ein Medienhaus machen“ zu wollen: Im Frühjahr 1998 wurde Brigitte, das deutscheste aller Frauenmagazine, ins Erste geholt. Heute jedoch ist „Brigitte TV“ im Branchengedächtnis nur noch irgendwo unter der Rubrik „zum Einschlafen“ abgelegt. Kompetenzgerangel mit dem NDR sorgten für Drunter und Drüber bei der Konzeption, zudem hatte die arme Brigitte im Fernsehen mit massiven männlichen Interessen zu kämpfen: Kurz nach Start musste sie ausgerechnet für die Fußball-WM aussetzen – um nach nur sieben Monaten komplett zugrunde zu gehen. „Natürlich befürchteten wir Imageschäden“, sagt der bei G+J für Brigitte zuständige Verlagsleiter Volker Breit im Nachhinein. „Aber zu spüren war bei den Anzeigenkunden nichts. Mit gewissem Abstand könnten wir das wieder versuchen, nur finden sich nach einem Flop schwierig Sender und Werbekunden.“

Doch mal angenommen, es hätte nicht am Segment „Frauenzeitschrift“ gelegen, sondern an der verkorksten Kooperation mit den Öffentlich-Rechtlichen, wie Breid anzudeuten scheint – warum fabrizieren dann MDR und das Haus Burda seit 1998 mit „Super Illu TV“ offensichtlich genau das, was beim ostdeutschen Publikum ankommt?

Mit dem Fremdeln begonnen jedenfalls hat die Zunft der Zeitschriftenmacher am 8. Mai 1988. Da startete „Spiegel TV“ mit 24 Sendeminuten auf RTL. Sonntagabend und gleich mit einer Million Zuschauer. „Wir setzen nicht Spiegel-Geschichten optisch um, sondern wir setzen Themen vom Spiegel um“, betonte damals Chefredakteur Stefan Aust. Dieser feine Unterschied macht den Printjournalisten bis heute Schwierigkeiten, denn aus der Gleichung „Qualitätsblatt plus Fernsehen“ wird noch lange kein Qualitätsfernsehen, auch wenn die Quote heute (übrigens ganz ähnlich wie beim zwei Jahre später eingeführten „Stern TV“) mit weit über 2 Millionen Zuschauern rund doppelt so hoch ist wie die Spiegel-Auflage. Doch nicht nur Lifestyle- und Nachrichten-Titel finden im Fernsehen ihr Plätzchen, sondern auch so genannte Special-Interest-Formate: Im Land der Autonarren hat „Auto Motor Sport TV“ vom Stuttgarter Motor Press Verlag – eine laut Programmbericht der Landesmedienanstalten „billige, von Schleichwerbung durchsetzte Produktion“ – ein verlockendes Männermarktsegment besetzt. Offenbar haben die Zuschauer für Product-Placement einiges übrig. Und so wird gesendet, was das Zeug hält, solange die unter Vertrag genommenen Sender es danken ...

In diesem Zusammenhang mag einem dann auch wieder die Sache mit „Greenpeace TV“ einfallen: Da wollte ein Magazin einmal ganz viel – und verschwand trotz etwa einer Million Zuschauern in Sonntagnacht nach nur sechs Sendungen aus dem Programm. RTL war 1997 prompt bereit gewesen, es mit den Umweltschützern zu versuchen. „Die waren an guten Bildern von Greenpeace-Aktionen interessiert“, sagt Greenpeace-Sprecher Stefan Krug: „Aber wir wollten natürlich auch Hintergrund bringen.“ Und so schoss Greenpeace immer hübsch gegen Großabnehmer von Werbezeiten bei RTL, etwa Nestlé. Nachdem der Sender bis dahin „ungewöhnlich viel Freiheit“ bei der Gestaltung gelassen habe, kam dann aber doch das Aus. Immerhin entdeckte Greenpeace, wie nahe sich Macher und Zuschauer kommen können: „Die Leute rannten uns hinterher immer eine Woche lang die Bude ein“, sagt Krug, „vor allem, wenn es in der Sendung um Verbraucherthemen ging.“ Die Umweltschützer richteten Hotlines und Call Center ein. Und vielleicht springt ja demnächst die geplante TV-Werdung der Meereszeitschirft Mare (siehe taz vom 19. April) bei so manchem Umweltthema ein. Ähnlich wie bei „Greenpeace TV“ möchte Mare-Chef Nikolas Gelpke für sein Baby nämlich mehr, als dass „nur der Name obendrauf geklebt ist“.

Zwischen dem flüchtigen Bewegungsmedium und dem, was man schwarz auf weiß nach Hause tragen kann, existiert nicht gerade eine natürliche Anziehungskraft. Die Verlage haben zwar die Vorstellung von Imagetransfer und Geldverdienen. Die Praktiker sitzen aber beim Sender. Und oft sieht das Ergebnis nach dem aus, was zusammengebracht werden sollte: zwei Welten.