In die Aktien-Suppe spucken

Gewerkschafter kritisieren IG-Metall-Chef Zwickel, der aus Beschäftigten Aktionäre machen will. Auch linkes Netzwerk warnt vor Pensionsfonds

BERLIN taz ■ Vom Beschäftigten zum Aktionär – diese vom IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel ausgegebene Richtung findet nicht nur Anhänger in der Gewerkschaft. „Wir sind keine Glücksritter“, beschwerte sich Gewerkschaftsvorstand Horst Schmitthenner. Er warnte vor Verlusten bei Börsenkrisen, die den Lohn oder die Rente von Beschäftigten reduzieren könnten. Außerdem sei der „Aktionärskapitalismus“ nicht geeignet, Reichtum gerechter zu verteilen als Tarifpolitik und Sozialstaat.

Zwickel hatte vor kurzem angeregt, die Politik der Gewerkschaft neu zu definieren. Beschäftigte könnten Aktien ihres oder anderer Unternehmen erhalten, um etwa die Altersversorgung über Pensionsfonds zu sichern. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte unlängst ähnliches gefordert.

Die Debatte ist nicht neu: Alle Jahre wieder ist von der Beteiligung der Beschäftigten am Betriebskapital die Rede – ohne dass sie bislang nennenswerte Anteile besäßen. Neu ist freilich, dass Zwickel sich öffentlicher Kritik aus seinem Vorstand erwehren muss. Neben Schmitthenner warf zu Ostern auch IG-Metall-Vize Jürgen Peters dem Chef vor, ohne Absprachen vorzupreschen und die Gewerkschaft damit in eine ungünstige Lage zu bringen. Laut Peters hatte Zwickel seinen Vorschlag der „Rente mit 60“ in der Organisation nicht ausreichend diskutiert. In den Tarifverhandlungen konnte sich das Konzept nicht durchsetzen.

Währenddessen werden nicht nur in den Gewerkschaften die kritischen Stimmen zur Aktieneuphorie lauter. Erstmalig setzt sich nun ein politisches Bündnis von unten kritisch mit dem Börsenboom auseinander. Das „Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte“, an dem sich bislang rund 50 entwicklungspolitische und kirchliche Gruppen beteiligen, fordert die Bundesregierung auf, Pensionsfonds zur Altersvorsorge von Beschäftigten nicht weiter zu fördern. Diese Fonds verwalten in den USA und Großbritannien mittlerweile mehrere hundert Milliarden Dollar und zwingen Betriebe ebenso zu Rationalisierungen und Gewinnsteigerung wie normale Anleger auch.

Netzwerk-Mitarbeiter Oliver Moldenhauer kritisiert auch die von SPD-Finanzminister Hans Eichel geplante Steuerbefreiung für Unternehmensverkäufe. Wenn das Vorhaben umgesetzt wird, können Konzerne wie die Allianz-Versicherung demnächst große Aktienpakete von abhängigen Unternehmen verkaufen, ohne Abgaben an den Staat zahlen zu müssen. Die Aktieneuphorie werde dadurch weiter angeheizt, was weitere Unternehmen veranlassen könne, ihren Profit im Dienste hoher Kurse noch mehr in den Vordergrund zu stellen und die Interessen der Beschäftigten zu vernachlässigen.

Das Bündnis hat sich im Januar erstmals in Frankfurt/Main getroffen. Als Vorbild gilt die französische Bewegung „Attac“, die die Globalisierung und die soziale Polarisierung kritisiert. Jetzt hat das Netzwerk seine Position zum Börsenboom konkretisiert.

HANNES KOCH

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