exilkubaner isoliert
: EINE CHANCE FÜR DIE USA

Nach einem Polizeieinsatz, der martialischer ausfiel als nötig, wurde der kubanische Flüchtlingsjunge Elián seinem Vater übergeben. Damit hat sich Washington durchgesetzt. Die einst unangreifbare Macht der Exilkubaner ist implodiert; die „Crazy Cubans“ erscheinen nun als Problem der inneren Sicherheit. Dies eröffnet den USA die Möglichkeit für einen Wandel in der Kuba-Politik.

Dabei waren die Exilkubaner bisher eine hochwirksame Lobby. Sie hielten die US-Politik fest auf unversöhnlichem Anti-Castro-Kurs, kanalisierten Gelder, kippten Personalentscheidungen, schrieben Gesetze. Wahlkampfzeiten waren dafür besonders geeignet: Im Buhlen um die kubanischen Wähler im Schlüsselstaat Florida überboten sich die Präsidentschaftskandidaten. 1992 brachten die Exilkubaner so das Torricelli-Gesetz durch, das das Embargo gegen Kuba verschärfte; 1996 war es das Helms-Burton-Gesetz, das just die Alteigentümeransprüche der Exilkubaner – fürwahr ein minoritäres Anliegen in der US-Gesellschaft! – zum Angelpunkt der Kuba-Politik der USA macht. Jetzt ist wieder Wahlkampf – und trotzdem schickt der US-Präsident ein schwer bewaffnetes Einsatzkommando nach Miami!

Clinton kann es sich leisten, schließlich steht er nicht zur Wiederwahl an. Doch auch Bush und Gore werden vorsichtig sein, sich für die Elián-Kampagne allzu sehr zu engagieren. Denn katastrophale Strategiefehler haben die Exilkubaner in die politische Isolation getrieben: Im Fall Elián stellten sie sich gegen das normale Sorgerechtsverfahren, gegen traditionelle „Family values“, aber auch gegen den US-Mainstream, der Immigration aus armen Ländern – und sei es Kuba – nicht mit Begeisterung sieht. Zudem wird die exilkubanische Position implizit von einer fatalen Resignation durchzogen, die kaum Basis für eine aktive Politik sein kann: Wenn es „Freiheit für Elián“ nur in Miami geben kann, dann scheint die Aussicht auf einen politischen Wechsel in Kuba selbst für die Lebensperspektive eines 6-Jährigen abgeschrieben.

Die Exilkubaner werden sich vom Schock erholen. Doch bis dahin schafft Clintons Machtdemonstration eine einzigartige Chance für den nächsten Präsidenten: Er kann eine Kuba-Politik entwickeln, die – ein Jahrzehnt nach Ende des Kalten Krieges – den Interessen der USA entspricht, nicht denen der Exilkubaner. BERT HOFFMANN

Der Autor ist Politikwissenschaftler am Lateinamerika-Institut der FU Berlin. brennpunkt SEITE 3