Lizenz zum Verschmutzen

Um die norwegischen Klimaschutzziele trotz neuer Gaskraftwerke nicht zu gefährden, kauft sich die Energieindustrie Kohlendioxid-Quoten in Afrika – von einem norwegischen Unternehmen

aus Oslo REINHARD WOLFF

Suche frisch aufgeforstete afrikanische Plantagen, biete norwegisches Kohlendioxid: So sieht der Quotenhandel aus, an dem die norwegische Stromindustrie derzeit laut Informationen des norwegischen Rundfunks NRK feilt, um zwei unvereinbare Regierungsbeschlüsse unter einen Hut zu bringen. Oslo hat sich zum einen in verschiedenen internationalen Übereinkommen verpflichtet, den CO2-Ausstoß aus norwegischen Quellen zu reduzieren, zum anderen hat es aber vor einigen Wochen grünes Licht für den Bau zweier großer Gaskraftwerke gegeben, die diesen Ausstoß massiv in die Höhe schnellen lassen würden.

Das Austauschmodell, an dem man nunmehr arbeitet, ist für die norwegische Umweltgruppe NorWatch ein „Musterbeispiel neokolonialistischer Denkweise“. Obwohl erst bei der Klimakonferenz, die im Herbst in den Niederlanden stattfindet, Regeln für einen Quotenhandel formuliert werden sollen, versorgt sich die Industrie bereits mit entsprechenden Optionen. Steinar Bysveen von der Stromgesellschaft Industrikraft Midt-Norge bestätigt: „Wir sind tatsächlich dabei, ein solches Abkommen zu unterzeichnen.“ Inhalt: Die Norweger erhalten eine Option auf CO2-Handelsquoten einer von der Firma Tree-Farms neu aufgeforsteten Plantage in Tansania. Die Gesellschaft Tree-Farms, hinter der wiederum norwegische Interessen mit dem Industriellen Kjell Inge Rökke an der Spitze stehen, ist vor allem zu einem Zweck gegründet worden: Sie soll just solche CO2-Quoten an Industrien verkaufen – und eher nebenbei dann auch noch am Holzverkauf verdienen.

In Tansania hat Tree-Farms 12.500 Hektar Land gepachtet, für das sie pro Hektar rund 4 Mark jährlich zahlt. In Uganda gibt sie für ein Waldgebiet von 5.160 Hektar einen Pachtzins von je 6,50 Mark aus. Nach dem globalen Quotenhandelsmodell sollen die afrikanischen Bäume einen Teil des in Norwegen produzierten Kohlendioxids binden, dafür bekommt Tree-Farms 10 Mark pro Tonne CO2. Kosten, die sich zu einem Bruchteil dessen zusammenrechnen, was man für eine wirksame CO2-Reinigung der Emissionen bei dem projektierten norwegischen Gaskraftwerk aufwenden müsste.

Und: Mit Industrikraft Midt-Norge und Tree-Farms verdienen zwei norwegische Gesellschaften an diesem Geschäft, es zahlt neben der lokalen Umwelt in Norwegen, denen die afrikanischen Bäume natürlich gar nichts nützen, vor allem die einheimische Bevölkerung in Afrika. „Tree-Farms und andere Gesellschaften belegen mit einer Minimalpacht große Landflächen mit Beschlag“, so Harald Eracker von NorWatch. „Das nutzt weder der armen Landbevölkerung dort noch den Ländern etwas.“

In Uganda ist deswegen der Widerstand gegen die Tree-Farms-Pläne mittlerweile auch so stark geworden, dass die vorgesehene Erweiterung des Landprojekts erst einmal gestoppt werden musste. Laut NorWatch würden allein hier tausende arme Bauern von ihrem Land vertrieben werden, wenn Tree Farms das Projekt durchführen dürfte.