Ein lebensgefährlicher Job

Die Organisation Reporter ohne Grenzen verzeichnet einen weltweiten Anstieg der Gewalt gegen Journalisten. Ihr Jahresbericht „Rapport 2000“ liest sich wie ein Atlas der Einschüchterung

von DOROTHEA HAHN

Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges ist Journalismus ein lebensgefährlicher Job. Allein im vergangenen Jahr sind weltweit 36 Journalisten ermordet worden – doppelt so viele wie im Vorjahr. Tausende andere Kollegen sind durch Worte und Taten bedroht, finanziell runiert, gekidnappt oder inhaftiert worden. Vierhundert Medien wurden Opfer von Zensur. Und zahlreiche Länder rund um den Globus verschärften ihre Pressegesetze. Das stellt die internationale Organisation Reporters sans frontières in ihrem heute in Paris veröffentlichten Jahresbericht fest.

Die 405 Seiten des „Rapport 2000“ lesen sich wie ein Atlas der Einschüchterung und Repression. In insgesamt 133 Ländern hat die Journalistenorganisation – mit weltweit 1.200 Mitgliedern – Verletzungen der Pressefreiheit festgestellt (Internetseite: www.rsf.fr).

In kleinen Konflikten werden gezielt Journalisten attackiert

Anführer auf der mörderischen Hitliste sind Sierra Leone (zehn ermordete Journalisten), Kolumbien und Jugoslawien (je sechs ermordete Journalisten) sowie Nigeria und Sri Lanka (jeweils drei). Drei Journalisten wurden auch in Tschetschenien ermordet, das der Bericht so behandelt, als sei es ein unabhängiges Land.

Die Zunahme der „kleinen“ und unübersichtlichen Konflikte ist nach Einschätzung von Reporters sans frontières der Hauptgrund für die gestiegene Zahl von Journalistenmorden. In den meisten Fällen, so der Bericht, „wurden die Journalisten bewusst als Ziel ausgewählt oder waren, wie in Sierra Leone, Gegenstand von regelrechten Vernichtungsoperationen.“

Längst nicht alle ermordeten Journalisten arbeiteten als Kriegskorrespondenten. In Kolumbien beispielsweise richtete sich die mörderische Gewalt vor allem gegen landesweit bekannte Sympathieträger wie den Karikaturisten Jaime Garzón. Hoch ist auch die Zahl der „Verschwundenen“. Im Januar zählte die Organisation weltweit immer noch 69 Journalisten, von denen es in manchen Fällen seit vielen Jahren keine Spur mehr gibt (davon acht in Russland, sieben in Guatemala und sechs in El Salvador).

Leicht gesunken ist hingegen im vergangenen Jahr die Zahl der wegen ihrer Arbeit und Überzeugungen inhaftierten Journalisten. Reporters sans frontières zählte weltweit 85 inhaftierte Journalisten. Dabei blieb die Rangliste der repressivsten Regime unverändert. Burma war auch 1999 das größte Journalistengefängnis der Welt (13 inhaftierte Journalisten, darunter einzelne seit zehn Jahren), dicht gefolgt von Syrien (zehn), Äthiopien und China (jeweils neun).

Neben den Morden und Inhaftierungen beschäftigt sich der Bericht auch mit gesetzlichen Schikanen gegen die Pressefreiheit. In einer steigenden Zahl von Ländern registriert er die Einführung von „Pressedelikten“, die mit Gefängnis geahndet werden können. Dazu gehören Vorwürfe wie die „Verbreitung falscher Nachrichten“, die „Beleidigung des Staatschefs“ oder ganz allgemein die „Diffamierung“.

In Staaten wie Nigeria oder Elfenbeinküste dienen neue Organisationen mit klingenden Namen wie „Observatorium für die Pressefreiheit“ lediglich der Durchsetzung staatlicher Zensur. Unter anderem verfolgen sie Journalisten, die Korruptionsvorwürfe gegen die Mächtigen ihrer Länder erheben.

Auch Deutschland und Frankreich sind angeklagt

Majestätsbeleidigung brachte einen Journalisten in Swaziland ins Gefängnis – er hatte enthüllt, dass die künftige, achte Gattin des Königs wegen Disziplinlosigkeit von der Schule verwiesen worden war. In Angola gerieten Journalisten hinter Gitter, die über separatistische Bewegungen in der Provinz Cabinda berichteten. In Tansania endete ein Artikel über eine bevorstehende Gehaltserhöhung für Minister in Gefangenschaft. Und in Kongo, nach Beobachtung von Reporters sans frontières eines der repressivsten afrikanischen Länder, wird neuerdings schon allein die Absicht bestraft, Unliebsames zu veröffentlichen.

Neben den notorischen Konflikt- und Kriegsgebieten beschäftigt sich der Bericht auch mit Ländern, die nicht im Ruch der Einschränkung der Pressefreiheit stehen. Ein Kapitel ist Frankreich gewidmet, wo die rot-rosa-grüne Regierung die Veröffentlichung von Bildern von Gewaltopfern und von Menschen in Handschellen verbieten will. Auch Deutschland wird im „Rapport 2000“ erwähnt – wegen der richterlich genehmigten Hausdurchsuchungen bei Journalisten.

Wer selbst aktiv werden will, kann am 3. Mai zum zehnten Internationalen Tag der Pressefreiheit um 15 Uhr auf eine französische Webseite (www.fnac.com) surfen und dort die Freiheit im Internet verteidigen. Per Mausklick. Und natürlich ohne das geringste Risiko.