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Beratung: „Bremen kann stolz sein“

■ Bremer Patientenberatung macht bundesweit Karriere: Mehr Beratungen in der Hansestadt / Bremerhaven berät bald auch

Bremen kann stolz sein, meint Staatsrat Christoph Hoppensack: Und zwar auf seine Unabhängige Patientenberatung (UPB), die in der Bundesrepublik einmalig sei. Schon jetzt gebe es Anfragen anderer Bundesländer über das Bremer Modell, das inzwischen auch der Bundesgesundheitsministerin vorgestellt wurde. Denn seit Januar ist die Förderung von Patientenberatungsstellen im Bundes-Sozialgesetz festgeschrieben.

„Einmalig ist in Bremen, dass sich Ärztekammer, Kassen, Krankenhäuser und das Gesundheitsressort an einen Tisch setzten,“ erklärt die Vorsitzender der Ärztekammer Ursula Auerswald: Diese vier Träger organsieren und finanzieren jetzt seit zwei Jahren über einen Verein die UPB. Jeweils 60.000 Mark pro Jahr lassen sich die vier Vereinsmitglieder das kosten.

Gelohnt hat sich der Einsatz: Nach dem neuesten Jahresbericht für 1999 wurden rund 2.400 Beratungsgespräche geführt – das sind 25 Prozent mehr Gespräche als im Vorjahr. Einen bloßen „Patienten-Meckerkasten“ will Berater Jürgen Moroff allerdings nicht anbieten. Statt Feindbilder gegen Ärzte oder Krankenhäuser zu schüren, geht es den Beteiligten um Qualitätsmanagement: Über den Einzelfall hinaus sollen Schwachstellen im Bremer Gesundheitssystem aufgedeckt und an die zuständigen Stellen weiter geleitet werden. Wissenschaftlich begleitet wird das ganze von der Uni Oldenburg.

Aber wie kritisch kann eine Beratungsstelle letztlich mit ihren Auftraggebern umgehen? Sie kann, meint Moroff. Die einzelnen Organisationen, ob Kammer oder Kasse, gingen oft zu vorsichtig mit ihren jeweiligen Mitgliedern um. „Hier versteht sich die UPB als Mahner.“ Und auch Kammern und Kassen gucken sich gegenseitig auf die Finger – es herrsche durchaus nicht immer Konsens.

Medizinische oder Rechtsberatung allerdings kann und will die UPB nicht leisten. Fast immer geht es um Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Arzt/Krankenhaus/Krankenkasse und Patient. Zum Beispiel häufen sich momentan bei Moroff Probleme mit den Budgets der niedergelassenen Ärzte – besonders am Quartalsende. „Dann wird ein Medikament plötzlich nicht mehr verschrieben,“ erklärt Moroff. Als Schuldiger wird die Kasse abgestempelt, die nicht mehr zahlen würde. Dabei fehlten Ärzten wie Kassen häufig der Mut zu sagen, dass Maßnahmen, die man bisher verordnet habe, angesichts hoher Kosten „nicht immer medizinisch notwendig seien“.

Gefragt wird Moroff auch gerne nach Koriphäen unter Bremens Ärzten. Aber den „Spezialisten für den linken Zeh“ können die Berater der UPB nicht bieten. Nicht jede Spezialbehandlung mache Sinn, meint Moroff – ein besonders vertrackter Spezialfall entpuppte sich einmal zum Beispiel als ganz normale Schwangerschaft. Hier müsse man an dem Patienten arbeiten.

Fertig ist Modell UPB allerdings noch lange nicht. „Wir sind eine bewegliche Aktion“, meint Auerswald. Und die ist noch im Entwicklungsprozess, vor allem wenn es um neue Mitglieder im Verein Unabhängige Patientenberatungsstelle geht: Mit Bremerhaven wird derzeit verhandelt. Ab Sommer könnte möglicherweise in der Seestadt eine Zweigstelle der UPB entstehen. Aber auch Zahnärztekammer und Verbraucherzentrale, die bei Zahn(arzt)problemen eine gemeinsame Patientenberatung anbieten, könnten vielleicht mit ins Boot geholt werden. pipe

Unabhängige Patientenberatung, Schwachhauser Heerstr. 32, 34 77 374, Öffnungszeiten: montags bis mittwoch von 9 bis 15 Uhr, donnerstags von 14 bis 19 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr.

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