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Red Card für Frauen?

Eine Schülerin wollte bei Bosch ein Praktikum machen – und erhielt eine ungewöhnliche Absage: „Frauen können nicht Systemelektroniker werden“

MÜNCHEN taz ■ Eigentlich hatte Miriam (Name geändert) beste Chancen auf ein Praktikum bei der Bosch Telecom in München. Die 15-Jährige besucht im oberbayerischen Bad Aibling den technischen Zweig der Realschule, im Sommer 2001 macht sie ihre Mittlere Reife. Mit einem Praktikum wollte sie herausfinden, ob ihr ein Job als Systemelektronikerin gefallen könnte.

Also suchte sie im Internet, fand die Firma Bosch und bewarb sich per E-Mail bei Ausbildungsleiter Manfred D. „Bei verschiedenen Informationsveranstaltungen wurde ich auf den Beruf der IT- Systemelektronikerin aufmerksam. Diesen finde ich interessant und für mich geeignet.“ Das sah Manfred D. nicht so. Die knappe Antwort des langjährigen Bosch-Mitarbeiters: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir für die Ausbildung zum IT- Systemelektroniker keine weiblichen Bewerber berücksichtigen können.“

Die offizielle Firmenpolitik von Bosch sieht anders aus: 1988 beschlossen Betriebsrat und Geschäftsführung einen Frauenförderungsplan. Ergebnis: Von den Auszubildenden in technischen Berufen waren 1998 laut Gesamtbetriebsrat elf Prozent Mädchen – 1992 waren es noch fünf Prozent. Im Bundesdurchschnitt waren 1998 laut Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB) 14 Prozent aller Auszubildenden im IT- Bereich weiblich.

Im Münchner Werk der Bosch Telecom waren es im selben Jahr laut Personalchef „um die zehn Prozent“, also leicht unter der – allerdings nur bedingt vergleichbaren – Quote vom BIBB. Und weit unter der Quote, die Bosch an anderen Standorten wie Eisenach (30 Prozent) erreicht. Ob dies der Einstellungspolitik von Ausbildungsleiter Manfred D. zu verdanken ist? In der Stuttgarter Konzernzentrale von Bosch ist man um Schadensbegrenzung bemüht: Herr D. habe „lax formuliert“, aber er sei ja jetzt bereits beurlaubt, man werde Miriam nun sogar ein Praktikum anbieten.

Das kann der Konzern aber nicht mehr. Denn Bosch-Telecom-Geschäftsbereich Private Netze wurde zum 1. April an US-Investoren verkauft, die Firma heißt nun Tenovis. In deren Frankfurter Zentrale heißt es, Herr D. sei aus der Verantwortung entlassen und werde diese auch nicht wieder bekommen.

Ganz anders sieht es in der Münchner Niederlassung aus. Die Pressesprecherin behauptet, nicht einmal zu wissen, „ob dieser Fall wirklich hier bei uns passiert ist“. Auch von einer Frauenbeauftragten hat man hier noch nie gehört. Beim Betriebsrat heißt es erst: „Das ist doch gar kein Thema.“ Nach Rückfrage berichtigt der Herr, der nicht genannt werden möchte: „Das ist schon ein Thema. Aber dazu sage ich nichts, das ist zu kritisch.“ Von dem Fall habe er „aus der Zeitung“ erfahren.

Es scheint, als sei der Diskriminierungskurs des Ausbildungsleiters niemandem aufgefallen. Seine Ablehnungs-E-Mail an Miriam ging schon Ende Januar raus. Hätte die Familie das Ablehnungsschreiben nicht zufällig der Münchner Frauencomputerschule gezeigt und hätte die nicht die SPD-Landtagsabgeordnete Hildegard Kronawitter verständigt, wäre Herr D. heute noch Ausbildungsleiter.

KONRAD LISCHKA

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