DIE ERSTEIGERUNG DER HANDY-LIZENZEN IST WIRTSCHAFTLICHER IRRSINN: Kostspieliges Abenteuer
Wer noch dem Glauben anhing, dass es in der Wirtschaft rational zugehe, den sollte das Milliardenrennen um die neuen Handy-Linzenzen eines Besseren belehren. Die Konzerne wie Deutsche Telekom, Vodafone und andere stürzen sich gerade in ein äußerst kostspieliges Abenteuer, dessen Ausgang selbst Kennern der Szene höchst ungewiss erscheint. Die Unternehmen setzen dabei nicht nur ihre Existenz aufs Spiel, sondern schicken sich gleichzeitig an, tausende Jobs zu verzocken, die als Folge späterer Konkurse und Großfusionen wegrationalisiert werden dürften.
Wenn die Telekom-Tochter One-2-One für rund 13 Milliarden Mark eine der heiß begehrten Handy-Lizenzen in Großbritannien ersteigert und für das Recht, ein entsprechendes Netz in Deutschland aufzubauen, vermutlich mehr als 15 Milliarden Mark zahlen wird, entbehren diese Investitionen weitgehend betriebswirtschaftlicher Vernunft. Um profitabel zu sein, müssten die Firmen ab 2003 mit den neuen, schnellen Handy-Verbindungen pro Jahr und Kunde bis zu 2.000 Mark hereinholen. Das läuft auf rund 170 Mark pro Monat hinaus. Die wenigsten Kunden werden derartige Summen für die mobile Telefoniererei bezahlen wollen. Schon jetzt verlangen die konkurrenzfähigsten Gesellschaften keine Grundgebühr mehr. Die Gebühren pro Handy-Minute sinken permanent. Und auch den Internetzugang, der in den zukünftigen Netzen im Wesentlichen übers Handy laufen soll, bietet manche Firma über die normalen Telefonleitungen heute schon kostenlos an. All das reduziert die späteren Verdienstmöglichkeiten der Bieter ganz erheblich. Es bleibt das Geheimnis der Unternehmen, wie sie ihre Ausgaben wieder hereinholen wollen.
Die Konzerne scheinen im System der „Neuen Ökonomie“ gefangen zu sein. Die Börsennotierung mit einem hohen Aktienkurs bedeutet den Vorständen alles. Weil die großen Fusionen mittlerweile ausschließlich auf dem Wege des Aktientausches vollzogen werden, stellt der hohe Wert der Aktien die Voraussetzung dafür dar, im Rennen um die weltweite Marktführerschaft mitspurten zu können. Und um den Aktienkurs nicht in Gefahr zu bringen, meinen die Vorstände, den Anlegern demonstrieren zu müssen, dass sie bei den neuesten technischen Entwicklungen ganz vorne dran sind – egal ob diese taugen oder nicht.
Während manches Unternehmen im Globalisierungsroulette mitsamt seinen Beschäftigten auf der Strecke bleiben dürfte, können sich die VerbraucherInnen – zumindest vorerst – freuen. Aufgrund der harten Konkurrenz werden es sich die Konzerne kaum leisten, ihre Verluste auf die Preise fürs Handy-Telefonieren umzulegen. HANNES KOCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen