Die legendär Nervenschwachen

■ Der 25:23-Erfolg der SG Flensburg-Handewitt im zweiten EHF-Pokalfinale reichte nicht

Am Schluss mochte man gar Mitleid mit ihnen haben: Torwart Jan Holpert lag noch Minuten nach Spielende ausgepumpt auf dem Hallenboden, das schweißgetränkte Trikot über den Kopf gezogen. Rückraum-As Christian Berge kauerte neben der Ersatzbank und kämpfte mit den Tränen. Mit 25:23 (12:12) hatten soeben die Recken der SG Flensburg-Handewitt gegen den RK Metkovic Jambo vor heimischer Kulisse das Rückspiel des EHF-Finales gewonnen – und doch verloren.

Denn nach der 22:24 Hinspiel-Niederlage der Flensburger ging der Cup wegen des einen mehr erzielten Auswärtstores an die Gäste aus Kroatien. „So ist das nun mal im Handball. Entweder man ist Gewinner oder Verlierer. Wir standen heute auf der falschen Seite“, brummelte der sichtlich zerknirschte SG-Manager Manfred Werder später auf der Pressekonferenz. Nicht zum ersten Mal, mag man ergänzen. Denn nach der Pleite im DHB-Pokalfinale gaben die Mannen der SG schon zum zweiten Mal binnen kurzer Frist ein fast schon gewonnenes Spiel aus der Hand.

In der Tat war die Partie eine vortreffliche Demonstration der fast schon legendären Flensburger Nervenschwäche in entscheidenden Momenten. In der Fördehalle – die ihren Spitznamen „Hölle Nord“ bei über 35 Grad Hitze wahrhaft verdiente – führten die Ballwerfer aus dem Norden bereits nach 46 Minuten mit 20:16. Der Cup schien fest in Flensburger Händen, die 3.500 Fans feierten bereits den Titelgewinn ihrer Mannschaft, als der völlig indisponierte Lars Christiansen zum Siebenmeter antrat und am vorzüglichen Gäste-Torwächter Dragan Jerkovic scheiterte.

„Wenn wir da mit fünf Toren hinten gelegen hätten, wäre das Spiel entschieden“, kommentierte Metkovic-Coach Ivar Obrvan später den wohl wichtigsten Moment des Matches. Fortan nutzten die Kroaten eine Schwächeperiode der Gastgeber. Nachdem erneut Chris-tiansen und Igor Lavrov an Jerkovic scheiterten und Jan Holpert plus Andrej Klimovets nach einem Missverständnis den Gästen mehr oder minder freiwillig den Ball aushändigten, schafften die Kroaten durch ihren Besten Davor Dominikovic in der 54. Minute den Anschluss zum 20:21.

Doch die SG fing sich wieder und hatte in den 20 Sekunden vor Schluss bei Überzahl und dem Stand von 25:23 die große Chance das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Aber Thomas Knorr und Lars Christiansen im Nachwurf vergaben die letzten beiden Möglichkeiten. Schluss. Aus. Vorbei. Metkovic hatte gewonnen.

„Wir hatten so viele Chancen. Wer die vergibt, kann so eine Partie nicht gewinnen“, grämte sich SG-Coach Erik Veje Rasmussen später. Flensburgs Christian Hjermind schaute bereits nach vorne: „Jetzt bleibt uns nur die Meisterschaft.“ Dass die erneute Pleite in einem Finale negative Auswirkungen auf den Titelkampf hat, mag Rasmussen inden nicht glauben: „Bundesliga und Europapokal sind zwei verschiedene Sachen. Kiel und auch wir haben noch schwere Spiele. Das wird ein enges Rennen. Da kann am Ende sogar das Torverhältnis entscheiden.“ Und für knappe Entscheidungen sind die Flensburger bekanntlich Spezialisten.

Matthias Anbuhl