Hetzjagd auf Dissidenten

Im Iran gehen die konservativen Kräfte massiv gegen die Reformer vor

BERLIN taz ■ Nachdem am Sonntag drei Teilnehmer einer Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin Anfang des Monats festgenommen worden waren, zitierte gestern ein Teheraner Pressegericht den reformorientierten Journalisten Emadeddin Baki vor den Kadi. Vorwurf: Er habe im vergangenen Jahr in einem Artikel Teile des islamischen Rechts, der Scharia, in Frage gestellt.

Baki wurde für heute erneut vorgeladen. Bereits am Sonntag wurden der Journalist Hamid Resa Dschalaipur, der Studentenführer Ali Afshari und die Rechtsanwältin Merengis Kar sowie die Verlegerin Essatollah Sahabi einbestellt. Dschalaipur kam gegen Kaution frei, die anderen in Haft – alle waren sie TeilnehmerInnen der Berliner Konferenz. Dschalaipur, dessen Tageszeitung Asr-e Asadegan in der vergangenen Woche zum wiederholten Male verboten wurde, sagte nach seiner Freilassung, seine Teilnahme an der Berliner Konferenz sei als Angriff gegen die inneriranische Sicherheit bezeichnet worden.

Bei der Konferenz der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung hatten zwischen einhundert und zweihundert linke Exiliraner jeden Dialog verhindert. Die staatlichen iranischen Medien nutzten den Anlass, um die von der Stiftung aus Teheran eingeladenen IranerInnen mit den Protestierenden in einen Topf zu werfen. Bereits in der vergangenen Woche wurde der zurückgekehrte Konferenzteilnehmer Akbar Gandschi verhaftet. Gegen die noch in Frankreich weilenden Konferenzteilnehmer, den Französischdozenten Kasem Kardavani und den Theologen Hodschatolislam Jussevi Eschkevari, liegt Haftbefehl vor. Beobachter in Teheran werten die Verhaftungen als den schwersten Schlag gegen die iranische Reformbewegung seit der Wahl von Präsident Mohammad Chatami vor drei Jahren. Alles hänge jetzt davon ab, wie die Stichwahlen zum Parlament am 27. Mai ausfallen – oder ob sie überhaupt stattfinden. Bei den Parlamentswahlen am 18. Februar hatte das reformorientierte Lager eine klare Mehrheit erziehlt. Nach Ansicht von Beobachtern plant das derzeit noch konservativ dominierte Parlament die Amtsenthebung meherer reformfreudiger Minister. THOMAS DREGER