CIA soll Aids bekämpfen

Die US-Regierung definiert eine neue Sicherheitspolitik. Die Krankheit wird zur Bedrohung der amerikanischen Interessen

aus Washington PETER TAUTFEST

Die Clinton-Regierung hat Aids zur Bedrohung der nationalen Sicherheit Amerikas erklärt und damit erstmals eine Seuche zum Gegenstand nationaler Sicherheitspolitik gemacht. Viel wurde seit dem Ende des Kalten Kriegs davon geredet, dass dem Militär, der CIA und der Sicherheitspolitik völlig neue Aufgaben zuwachsen – jetzt ist die Regierung Clinton erstmals in einem Fall konkret geworden. Im Afrika südlich der Sahara ist ein Fünftel – in Simbabwe gar ein Viertel – der Bevölkerung vom HIV-Virus infiziert. Nach einer Schätzung amerikanischer Nachrichtendienste vom Februar dieses Jahres muss in der nächsten Dekade mit dem Tod eines Viertels der Bevölkerung im südlichen Afrika gerechnet werden. Seit 1980 starben 16 Millionen Menschen an Aids, 60 Prozent davon in Afrika.

Was in Afrika geschieht wird, sich in Asien wiederholen. Aids ist im Begriff, sich auch in der ehemaligen Sowjetunion auszubreiten. In dem Bericht wird von einer Epidemie noch nie dagewesenen Ausmaßes gesprochen. Die gesunkene Lebenserwartung wird katastrophale Folgen für die demographische Entwicklung der Länder südlich der Sahara haben, in denen heute schon neun Millionen Kinder und Jugendliche ohne Eltern aufwachsen. Diese Bevölkerungsgruppe wird nach Auffassung des Nationalen Sicherheitsrates besonders anfällig für Parolen sein, mit denen Demagogen Minderheiten und Ethnien zu Sündenböcken erklären.

254 Millionen Dollar will Clinton für die Aids-Bekämpfung im Haushaltsjahr 2001 beantragen – ein Betrag von dem Kritiker sagen, dass er im Rundungsbereich für Haushaltstitel eines mittleren Landkreises liegt. Nach Schätzungen der Behörden, die an der Erarbeitung des Berichts beteiligt waren, wären rund fünf Milliarden Dollar für den Aufbau medizinischer Infrastruktur in den Ländern des südlichen Afrika erforderlich. Eine solche Summen will die Clinton-Regierung beim republikanisch beherrschten Kongress erst gar nicht zu beantragen versuchen. Zündstoff birgt auch die Forderung, dass amerikanische Hilfsorganisationen Medikamente nicht wie bisher gesetzlich vorgeschrieben nur in den USA und bei amerikanischen Firmen kaufen sollen, wo sie besonders teuer sind.

Clinton reagiert mit dieser Initiative auf Druck aus den Reihen von zwei für die Demokraten wichtigen Wählergruppen. Nach dem Sturz des Apartheidregimes in Südafrika haben schwarze Politiker in den USA wie Jesse Jackson die Aids-Epidemie in Afrika zu ihrem außenpolitischen Thema gemacht. Und nicht zufällig wurde Clintons neue Sicherheitspolitik an dem Tag verkündet, da sich in Washington mehrere hunderttausend Schwule und Lesben zur bisher größten Demonstration für Gleichberechtigung und Schutz vor Diskriminierung sowie für mehr Aids-Forschung versammelten. Erste Reaktionen aus dem Kongress fielen ablehnend aus. In den Sonntags-Talkshows meldete sich der Mehrheitsführer im Senat, Trent Lott, zu Wort und beschuldigte Clinton, die Klientel der Demokraten bedienen zu wollen.

Ende April veröffentlichte ein Washingtoner Think Tank eine Studie, die davor warnt, den Begriff der nationalen Sicherheit auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken auszuweiten. Das würde nicht nur zu einer Militarisierung der Umwelt- und Gesundheitspolitik führen, sondern auch zu einen Kompetenzgerangel innerhalb der Regierungsbehörden.