Männerparadies

Nichts für absolute Beginner: Die Bauhaus-Filiale in der Bayreuther Straße. Der Do-it-yourself-Erprobte blüht hier jedoch richtig auf und gibt sich fachmännisch

Meine Großmutter pflegte die Menschen in zwei Gruppen zu unterteilen. Die Wegwerfer (das sind die mit den penetrant übersichtlich aufgeräumten Regalen) und die Aufheber („Kann man immer noch mal wieder brauchen“). Zu den letzteren muss ich mich zählen. Mein Vater hatte noch eine andere Zuordnung für mich: die mit den zwei linken Händen, womit er – der Schreinermeister – leider Recht hatte und darunter wohl noch mehr litt als ich selbst. Allein der Gedanke, beispielsweise neue Jalousien an meine Fenstern installieren zu müssen, lässt mich innerlich „Handwerker, so komm!“ rufen.

Menschen wie ich brauchen sich nicht im tiefen Wald verlaufen, um einmal das Gefühl gänzlicher Verlassen- und Hilflosigkeit zu erfahren. Sie gehen einfach in den nächstgelegenen Bauhandwerkermarkt. Bei mir liegt die Bauhaus-Filiale nur zwei Parallelstraßen von meiner Wohnung entfernt und ist in gewisser Weise doch eine Art Paralleluniversum. Die ganze Lebenserfahrung, Studium, leidlich erworbenes Berufsfachwissen – alles für die Katz.

Auf zwei Etagen erstreckt sich das Handwerkerparadies. Gips und Duschschläuche, Holzlatten und Badefliesen. Jägerzäune und Raufasertapeten. Meterhohe Regale mit Farbtöpfen. Und welcher soll nun der richtige Lack für meinen frisch verputzten Fensterrahmen sein? Selbst der Kauf einer schlichten Glühbirne (die hier natürlich Leuchtstoffe heißen) kann zur materialistischen Folter werden. 40 oder 60 Watt? Matt oder klar? Spar- oder Normalbirne? Osram oder No-Name? Wozu braucht ein Mensch zwei mal acht Meter Regale mit Glühbirnen?

Ok, eine Glühbirne kriege ich noch problemlos in meinen Einkaufswagen. Bei meinen Kippdübeln (Tolles Wort! Fast so schön wie Steckgleiter) hatte ich dann aber doch eine Frage. Damit aber begann das Problem. Eben sah man noch viele dieser Männer in roten Kitteln. Wenn man sie aber braucht, sind sie alle auf mysteriöse Weise verschwunden. Doch, da: Zwischen Duschvorhängen und Klosettbrillen taucht einer auf. Jetzt allen Mut zusammennehmen. Denn hier in diesem heiligen Ort der „Do it yourself“-Elite macht sich jeder lächerlich, der fragt. Zumindest vermitteln einem diese Herren ständig dieses Gefühl.

Die Besucher von Baumärkten lassen sich grob in drei Grundkategorien einteilen. Die Profis: Die tragen mehrheitlich blaue Latzhosen, haben Farbkleckse auf den Jacken und Mörtel- und Kalkspuren auf den Schuhen. Sie haben nie eine Frage. Dann die Hobbybastler. Sie halten den Karohemden die Treue und reden stets betont fachmännisch: „Gibt es die 5-Zoll-Flunsch auch mit verchromter Messing-Nut und ohne Invers-Aufsatz?“ Und dann gibt es noch die Ahnungslosen. Also solche wie mich. Die mit dem unruhigen Blick. Vielleicht ist er es, der uns immer gleich verrät.

Denn schon aus der Entfernung scheinen die Bauhaus-Mitarbeiter uns mit dem Gespür eines Trüffelschweins zu erkennen. Gleich tragen sie diesen überlegenen Blick im Gesicht und ertrotzen sich so eine unterwürfige Haltung. Und kaum hat man auch nur den Mund aufgemacht, fühlt man sich schon minderwertig. „Was ist das denn für ein Warmduscher und Turnschuhbeutelvergesser“, scheint der sich zu denken. Liegt ihm nicht eine spitze Bemerkung auf den Lippen: „Hättest du mal lieber statt der Zeit was Ordentliches wie Selbst ist der Mann abonniert.“ Do it yourself leuchtet es von diversen Werbeplakaten, und irgendwie klingt das alles ein wenig wie Onanie. Vielleicht sind ja Baumärkte einfach nur ein letztes Rückzugsreservat für den Großstadtmann, der nun mal keine Prärie vor der Haustüre hat und sich den nächsten Camel-Abenteuerurlaub noch nicht zusammengespart hat. Deshalb forschen wir in dieser Richtung weiter. Nächste Woche: der Autozubehörhandel. Männer zwischen Heckspoiler und Lenkradfellbezügen. AXEL SCHOCK

Bauhaus, Bayreuther Str. 3 – 4