strahlende hinrichtung im kabelland
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von MICHAEL RINGEL

Allein in der Wohnung einer Freundin. Es klingelt an der Tür. Draußen steht ein schnauzbärtiger „Mann vom Kabelfernsehen“, wie er sich selbst vorstellt. Ob man ihm eine Leiter leihen könne, brummt er. Nun ist als Gast in einer fremden Wohnung der Leiterverleih ans brummende Kabelfernsehen nicht zwingend. Zumal der Blaumann – begierig schielt er auf ein kleines Kästchen oben im Treppenhaus – dem Nachbarn unten „die Kabelprogramme abklemmen“ möchte. Er, der Nachbar, habe seine Kabelrechnung nicht bezahlt, wird man mit mahnenden Worten in die Pflicht genommen, die denn auch prompt und gern verweigert wird. Zwar ist der Türke unten ein rechter Stoffel und grüßt auf der Treppe nie zurück, aber die Heimatsender möchte man ihm nicht kappen lassen. Ihn mit ARD und ZDF allein zu lassen, ist denn doch eine zu große Verantwortung. Dann wird er sich noch lauter mit seinem Bruder streiten, einem trinkenden Fellmantel unterm Strohcowboyhut. Nein, wird dem Kabelmann beschieden, man sei hier nur zu Besuch und wisse nichts von Leitern. Mürrisch presst der Schnauzbart seine Klemmzange zwischen die fleischigen Finger, als wolle er gleich jeden im Haus gnadenlos zwangsassimilieren. „Na, denn nich’.“ Polternd stiefelt er nach oben ab.

Fünf Minuten später klingelt es erneut an der Tür. Draußen strahlt die quicke Nachbarin von oben unterm Minutenlicht. Nicht mehr die Jüngste, ist sie gewöhnlich im Jugendmusikbereich tätig und auch sonst nicht sehr helle. Der tumbe Tor aus dem Kabelland lugt grinsend über ihre Schulter. „Ick weeß, wo die Leiter steht“, lässt sie den Ertappten hinter der aus gutem Grund nur leicht geöffneten Tür wissen. Sie leihe sich „det Eisending“ immer für Reparaturen, deutet sie hyänenfreundlich den Flur hinab Richtung Kammer. Die Mutter Gottes auf ihrem schneeweißen T-Shirt weint blutige Tränen. So viel Willen zur Erniedrigung ist nichts mehr entgegenzusetzen. Widerstand ist zwecklos. Die schwere Eisenleiter wird aus ihrem Versteck gezerrt und – nein, nein, du brauchst nicht mit anzupacken – schwerfällig an der schnetzen Dame vorbei trittgerecht zur Verrichtung der amtlichen Aufgaben bereitgestellt. Fröhlich hüpft die Hilfshenkerin gen Himmel, und der Gesichtsbehaarte geht an sein behördliches Werk. „Sie müssen nicht festhalten“, versetzt er dem Hilfsträger den finalen Todesstoß und zupft zufrieden sein Säckchen zurecht. O Allah, hilf! Falle dem Ungläubigen in den Arm. Sende einen schwarzen Meteoriten vom Himmel herab. Lass den teuflischen Kabelmann hinabbrausen vom Gestell.

Doch ist mit himmlischem Beistand nicht zu rechnen. Da bleibt nur der Rückzug, um hinter der Tür den Taten des finsteren Vollstreckers zu harren: Es schraubt und krööchzt und klickt – und der Türke ist kein Mann von Fernsehwelt mehr. Zufrieden tackern Stiefel auf Metall. Ein Feuerzeug entzündet die Zigarette danach. Endlich klingelt es. „Na denn, schönen Dank auch für die dolle Hilfe“, schaufelt der Bestatter noch eine Handvoll Erde ins Grab.

Später eine Begegnung mit dem ehemaligen Kabeltürken und dem trinkenden Fellmantel. Schwerfällig ächzen sie die Treppe hinauf. Heute tragen beide einen Cowboyhut. Und grüßen nicht zurück.