Die PDS sammelt die Enttäuschten

Bei einer Anhörung macht die PDS deutlich, wo sie den Unterschied zur SPD setzt – in der Bildungspolitik. Die PDS ist klar gegen Studiengebühren und für ein Bafög für alle. Auch GEW fordert: Nicht die Banken, sondern die Ausbildung fördern

aus Bonn ISABELLE SIEMES

Für die SPD war in ihrem Bad Godesberger Programm von 1959 die Sache noch klar. „Ausreichende öffentliche Mittel für Forschung und Lehre müssen zur Verfügung gestellt werden. [...] Eine großzügige Förderung soll den Studierenden ihre wissenschaftliche Ausbildung sichern.“ Heute sind die letzten Mohikaner einer solchen etatistischen Bildungspolitik in der PDS anzutreffen. Als unsozial gelten den demokratischen SozialistInnen zum Beispiel jene Studiengebühren, welche die rot-grüne Bundesregierung nach wie vor nicht verboten hat – obwohl sie es doch versprochen hat.

Um diesen Unterschied auch deutlich zu machen, lud die PDS gestern zu einem Hearing über „Chancengleichheit und Bildungsfinanzierung“ ins Bonner Wasserwerk. Der Noch-Fraktionsvorsitzende der PDS, Gregor Gysi, eröffnete selbst die Anhörung: Das ganze Bildungsdilemma hänge mit der Intellektuellenfeindschaft der deutschen Gesellschaft zusammen. Auch die Effizienzdebatte der Bildungspolitik speise sich aus diesem Vorurteil: Profs und Studis seien faul. Gysi schlug sich auf die Seite der Diskriminierten und forderte vom Staat den Stellenwert der Bildung anzuheben. „Wieviel Geld der Staat für die Bildung ausgibt, ist eine Sache der Prioritätensetzung“, stellte er klar.

Während Gysi den Staat an und für sich im Blick hatte, kamen die konkreten Vorschläge von anderer Seite. Christoph Ehmann vom Sachverständigenrat der Hans-Böckler-Stiftung stellte das Modell der „Bildungskonten“ vor. In diese Konten zahlen die Inhaber oder deren Eltern ein. Der Staat soll dies belohnen durch Steuervergünstigungen und Zuschüsse. Durch solche Bildungsgutscheine sei ein gebührenfreies Erststudium in der Regelstudienzeit möglich. Zugleich werde soziale Gerechtigkeit geschaffen. „Durch die Bildungskonten können alle frei entscheiden, welchen Bildungsweg sie nehmen wollen“, erklärte Ehmann.

Gerd Köhler aus dem Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist da ganz anderer Meinung. „Die Gewerkschaften wollen ein Ausbildungsförderungsgesetz, kein Bankenförderungsgesetz wie in Amerika.“ 1971 sei das Bafög eingeführt worden, um die Selbstrekrutierung der vermeintlichen Eliten zu durchbrechen. Aber noch immer liege der Anteil von Studierenden aus Arbeiterfamilien deutlich unter dem der Kinder von Beamten oder Selbstständigen, erläuterte Köhler. Daran könnte auch ein Modell von Bildungsdarlehen nichts ändern, denn diese würden immer selektiv wirken, ebenso wie Studiengebühren.

Damit kam Köhler der Position der PDS nahe. GEW und PDS halten an einem Bafög-Modell fest, wie es ursprünglich auch Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) angestrebt hatte. Sie fordern eine Sockelfinanzierung von 500 Mark unabhängig vom Einkommen der Eltern. Darauf aufbauen soll eine einkommensabhängige Förderung von bis zu 800 Mark als Zuschuss.

Sabine Kiel (Grüne), Mitarbeiterin des Studentenwerks Hannover, präsentierte die neuesten Zahlen der Erwerbstätigkeit von Studierenden: „Über 70 Prozent sind dauerhaft erwerbstätig.“ Das heißt die Studis jobben nicht nur während der Semesterferien, sondern fahren etwa morgens für UPS und stürzen dann zur Vorlesung in den Hörsaal. Von dem so erworbenen Geld müssen sie auch die hohen Studiennebenkosten begleichen. So müssten etwa Geografiestudierende für eine Pflichtexkursion ins Ausland 1.000 bis 1.500 Mark hinlegen. „Wenn dann noch Studiengebühren erhoben werden, kommen sie zwischen der Arbeit zur Uni wie zu einem Volkshochschulkurs“, warnte Kiel. Statt Uni-Gebühren sollte das Stipendienwesen ausgebaut werden.

Eine Studienfinanzierung durch Stipendien lehnte Thorsten Bultmann, Geschäftsführer des Bundes Demokratischer WissenschaftlerInnen, rundweg ab. Stipendien seien ein Relikt aus dem Feudalismus: „Sie werden gewährt, auf Bafög hat man einen Rechtsanspruch.“ Gegen Studiengebühren wandte sich Bultmann mit einem pragmatischen Argument: „Überall in Europa, wo solche Studiengebühren in der Vergangenheit eingeführt wurden, haben die Unis trotzdem nicht mehr Geld.“ Denn der Staat habe nach kürzester Zeit seine Mittel zurückgefahren, betonte er.

Bultmann plädierte für Reform innerhalb der Unis. „Noch immer werden Profs nach ihren Leistungen in der Forschung ausgewählt und nicht nach denen in der Lehre“, erklärte er. Die von Bildungsministerin Bulmahn angestrebte Bezahlung nach Leistung könne da keine Abhilfe schaffen. „Das ist nur eine Flexibilisierung von Spitzengehältern“, kanzelte er Bulmahns Pläne ab.