Die Regierung schweigt zur Dürre

Die offiziellen Medien in Äthiopien blenden die weiter wachsende Hungerkatastrophe aus

ADDIS ABEBA taz ■ Der Unterschied ist frappierend. In den abendlichen Nachrichten des staatlichen Fernsehens ETV wird in der äthiopischen Umgangssprache Amharisch die Dürre kaum erwähnt. Die Meldungen in Englisch, die fast nur Diplomaten, Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen verstehen, befassen sich dagegen beinahe ausnahmslos mit der großen Trockenheit. Warum, ist offensichtlich: Den einen will man sagen „Wir wissen, das Problem ist enorm. Wir tun, was wir können.“ Der eigenen Bevölkerung will man über die Dürre lieber gar nicht erst berichten.

In der Somali-Region, im Osten des Landes und weit von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt, ist der Mangel bisher am schlimmsten. Den staatlichen Medien zufolge würde man nicht darauf kommen, dass Äthiopien am Rande einer Katastrophe steht. Allein die privaten Zeitungen drucken Fotos von verendeten Rindern. Die regierungseigenen Medien beschränken sich darauf zu vermelden, welche Organisation wie viel Hilfe liefert.

Die Bilder der abgemagerten Menschen, die in jedem europäischen Fernsehsender zu sehen waren, trauten sich nicht einmal die unabhängigen Zeitungen zu drucken. Daher weiß man in der einen Region Äthiopiens nicht, was in der anderen geschieht.

Nach den Meldungen der staatlichen Nachrichtenagentur ENA (in Englisch) müsste man davon ausgehen, dass das Land einen erfolgreichen Fünf-Jahres-Plan hinter sich hat. „Premierminister Meles: Landwirtschaftspolitik im Ganzen erfolgreich“, vermeldete die Agentur.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass in weit mehr Regionen als ursprünglich angenommen die Menschen sterben werden, wenn nicht in den nächsten Wochen Hilfe zu ihnen kommt. Betroffen ist nicht nur die Region Somali. Aus der Borena-Region sind mehrere tausend Menschen vor der Dürre nach Kenia geflohen. Zunehmend betroffen ist auch das äthiopische Hochland. In der Region Wollo im zentralen Norden sind nach Angaben des UNO-Welternährungsprogrammes die Menschen akut gefährdet.

Die Versorgung dieser zum Teil sehr abgelegenen Regionen wird die Regierung vor eine enorme logistische Herausforderung stellen. Die Regenfälle werden dort voraussichtlich im Juni einsetzen. Bis dahin müssen die Nahrungsmittel herangeschafft sein, danach sind die Straßen unpassierbar. Damit stellt sich beispielsweise die Frage, ob es genügend Lkws zum Transport gibt.

Der Umgang der äthiopischen Regierung mit solchen Fragen ist bezeichnend. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mehrzahl der Transporter an der äthiopisch-eritreischen Front gebunden ist. Trotzdem heißt es offiziell: Wir haben genügend.

Die Anregung, den Norden Äthiopiens über den eritreischen Hafen Assab zu versorgen, hat sogar zu einer diplomatischen Krise geführt. Seitdem schreibt die Regierungspresse, Äthiopien solle gedemütigt werden.

PETER BÖHM