Kubas bittersüßes Schicksal

Mit gentechnischen Methoden soll Zuckerrohr für die Wirtschaft interessanter gemacht werden

Kubas Abhängigkeit vom Zuckerrohr blieb auch nach der Revolution 1959 bestehen. Der Zucker wurde von den sozialistischen Bruderländern zu höheren als den Weltmarktpreisen abgenommen. Im Tausch dafür erhielt Kuba nicht nur das nötige Erdöl und Chemikalien, sondern vor allem auch Lebensmittel. Nach dem Ende dieser besonderen Beziehungen stand die kubanische Regierung vor einem Dilemma.

Der Zwang zur Steigerung der Lebensmittelproduktion macht eine Ausweitung der Zuckerrohrplantagen unmöglich. Stattdessen sollen verbesserte Pflanzen den Zuckerertrag steigern. Da die Züchtung neuer Zuckerrohrarten mit klassischen Kreuzungsmethoden sehr zeitaufwendig ist, verwenden Kubas Forscher verschiedene Biotechnologien. Zum Beispiel wird mit Gewebekulturen gearbeitet, in denen Mutationen angeregt und auf gewünschte Eigenschaften untersucht werden. Und um das Aufspüren von Charakteristika, wie etwa die Resistenz gegen Trockenheit oder salzige Böden, zu vereinfachen, kommen molekulare marker zum Einsatz. Aber auch Gentechnologie soll helfen: Die Palette neu eingeführter Merkmale reicht vom Schutz vor Pilzbefall über Herbizidresistenz bis zum Einbau von Bt-Genen gegen die Larve des Zuckerrohrbohrers.

Da die Weltmarktpreise für Rohzucker ständig sinken, wird in Zukunft die Modifizierung der Inhaltsstoffe und Nebenprodukte von größerer Bedeutung sein. Dank seiner vielfältigen chemischen Eigenschaften könnte Zuckerrohr nämlich eine Anzahl der momentan gängigen chemischen Grundstoffe ersetzen. Während die Bagasse, das dem Volumen nach vorherrschende Nebenprodukt, derzeit vor allem verbrannt wird, macht ihr Lignin-Gehalt sie auch für die Papierherstellung attraktiv. Kubas Forscher versuchen, das Lignin den chemischen Bedürfnissen der Papierindustrie anzupassen.

Ein anderer Forschungszweig versucht, diesen schwer verdaulichen Bestandteil zu verringern, um das Gewächs so besser als Tiernahrung einsetzen zu können. In dieselbe Richtung zielen auch gentechnologische Manipulationen am Zuckergehalt der Melasse. Dieser Sirup dient nicht nur der Alkoholproduktion, sondern auch als Zusatz im Tierfutter. Gentechnische Manipulation an der Zuckerrohr-DNS soll den Gehalt an höherwertigen und deshalb teurer zu verkaufenden Fructo-Oligosacchariden steigern. VOLKER LEHMANN