Proporzfrauen gesucht

Frankreichs Parlament beschließt, dass künftig auf Wahllisten gleich viel Männer wie Frauen vertreten sein sollen. Ausnahmen verwässern das Gesetz

PARIS taz ■ Die Männer in der französischen Nationalversammlung haben den Damen galant die Türe geöffnet: Beinahe einstimmig nahmen sie am Mittwochabend ein Gesetz an, das die paritätische Besetzung von Wahllisten vorschreibt. Bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr wird das Prinzip „Chabadabada“ – ein Männlein, ein Weiblein – erstmals erprobt. Die Parteien haben bereits mit der Suche nach den nötigen Proporzfrauen begonnen.

In der Nationalversammlung, wo 89,5 Prozent der Abgeordneten männlichen Geschlechts sind, herrschte am Mittwoch so großes Einvernehmen wie selten. Lediglich drei konservative Abgeordnete – darunter eine Frau, die rechtsliberale Christine Boutin – stimmten gegen das Gesetz. Alle anderen Abgeordenten waren sich einig in der Frage, daß Frankreich die positive Diskriminierung in Gesetzesform nötig hat. Parteien, die die Parität nicht respektieren, drohen Kürzungen bei staatlichen Subventionen.

Ein Blick auf die Zahlen in Frankreich macht den Handlungsbedarf deutlich. Die zu 53 Prozent weibliche Bevölkerung wird auf der politischen Ebene fast ausschließlich von Männern repräsentiert: die Nationalversammlung ist mit 10,5 Prozent Frauen das am weiblichsten besetze Gremium. Noch weniger Frauen sitzen an der Spitze in den Rathäuser (8 Prozent), im Senat (6 Prozent) und in den Regionalräten (6 Prozent).

Die eklatanten Ungleichgewichte in der politischen Beteiligung, mit denen sich Frankreich mit Griechenland auf den hintersten Rängen der Europäischen Union befindet, wird das neue Gesetz nur stellenweise aufheben. Denn gerade für jene Bereiche, wo Frauen besonders unterrepräsentiert sind, haben die Herren Abgeordneten Ausnahmeregeln eingeführt. So gilt das Paritätsprinzip bei Kommunalwahllisten ausschließlich in Orten mit mehr als 2.500 EinwohnerInnen – und betrifft damit nur rund 3.000 der 36.669 französischen Gemeinden. Auch für die Kantonal- und Senatswahlen gilt es nicht. Davon, dass Frauen auf die Spitzenpositionen der Wahllisten kommen sollten, ist sowieso nie die Rede gewesen.

Trotzdem schwärmt Innenminister Jean-Pierre Chevènement, das Gesetz werde „das politische Leben Frankreichs tiefgreifend ändern“. Tatsächlich hat sich diese Änderung seit längerem angebahnt. Jahrzehntelang hatte Frankreich die „positive Diskriminierung von Frauen“ in den nordischen und angelsächsischen Ländern argwöhnisch beobachtet. Rechte wie linke französische PolitikerInnen und auch Feministinnen lehnten Institutionen wie Gleichstellungsbeauftragte und Frauenquoten ab. Sie setzten auf das republikanische Prinzip der Égalité, das allen CitoyenNes gleiche Rechte zusagt.

Seit dem Machtantritt der rot-rosa-grünen Regierung 1997 wich diese tiefsitzende Überzeugung allmählich einer Politik der kleinen Reformen, die das Geschlechterverhältnis beeinflussen sollen. So setzten die linken Parteien schon bei den vergangenen Urnengängen 40 bis 50 Prozent Frauen auf ihre Listen. An der Macht feminisierten sie auch Berufsbezeichnungen.

Entgegen den Unkenrufen hart gesottener französischer Sprachschützer verlief diese Reform problemlos. Heute spottet fast niemand mehr, wenn von einer „Madame la Ministre“ die Rede ist. DOROTHEA HAHN