Den Ausstieg organisieren

Ein kleiner Verein in Niedersachsen wird zum erfolgreichen Ökostrommakler. Das Konzept: Man warb bei Bekannten und Verwandten und ließ mit dem Bündel von Kunden die Stromlieferanten gegeneinander antreten

Die meisten Ökostromanbieter machen derzeit lange Gesichter. Mit dem erhofften privaten Atomausstieg durch den Wechsel des Stromversorgers geht es ähnlich schleppend voran wie mit dem regierungsoffiziellen Ausstieg. Die Kundenprognosen mussten drastisch nach unten korrigiert werden und in den Bilanzen stehen rote Zahlen. Einer ist trotz allem zufrieden. „Wir haben unser Ziel bereits nach dem ersten halben Jahr erreicht“, freut sich Martin Reinhardt. „Wir“, das ist der Grün-Strom e. V. in Hannover. Und das Ziel waren 1.000 Ökostromkunden mit einem Verbrauch von zusammen 2,5 Millionen Kilowattstunden (kWh). Die werden inzwischen von den Stadtwerken Hannover und der Düsseldorfer Naturstrom AG mit Strom beliefert, der zu 100 Prozent aus neuen Anlagen und regenerativen Energiequellen stammt. Ein Häuflein Ehrenamtlicher hat damit mehr bewirkt als viele Sonntagsreden.

Die Erfolgsgeschichte begann mit einer Idee im Herbst 1999. Eine Hand voll Menschen aus Hannover und dem Umland wollten die Liberalisierung des Strommarktes nutzen, den Atomausstieg voranbringen und Ökostrom fördern. Weil ein Produkt nur akzeptiert wird, wenn der Preis stimmt, wollten sie die Nachfrage bündeln und so einen Rabatt erzielen. „Pooling“ heißt das auf Neudeutsch. Sie fragten die Preise der Anbieter ab, gründeten mit einigen Mitstreitern – zehn sind es heute – einen Verein und fingen an, Interessierte anzusprechen. Das günstigste Angebot kam erstaunlicherweise aus der Nachbarschaft – von den Stadtwerken Hannover. Zwei Pfennig weniger je Kilowattstunde (kWh), wenn übers Jahr 2,5 Millionen kWh abgenommen werden. Konkret heißt das: Ein Single mit einem Jahresverbrauch von 1.000 kWh zahlt 398 Mark im Jahr; bei einer Familie mit 4.000 kWh sind es 1.307 Mark.

Auch die Qualität stimmt: Der Ökostrom stammt aus dem neu errichteten Wasserkraftwerk Herrenhausen sowie einigen Windrädern, und wird über die Naturstrom AG mit dem Grünen-Strom-Label in Gold zertifiziert.

Jetzt hieß es, Überzeugungsarbeit zu leisten: „Du musst auf die Leute zugehen, von sich aus kommt da keiner“, sagt Martin Reinhardt. Auf Parteitagen, bei Veranstaltungen, in Gaststätten, überall haben die Grünstromer ihr Konzept vorgestellt, für den Anbieterwechsel geworben und ihre Kunden persönlich überzeugt. Nicht nur in Hannover und dem Umland, sondern deutschlandweit. Anfang Februar wurden die ersten 800 Verträge an die Stadtwerke Hannover übergeben, inzwischen sind es mehr als 1.000 Verträge. Die Verbrauchsmenge ist auf drei Millionen kWh angewachsen und wenn die noch ausstehenden Verträge eingehen, wird sie bei 4,2 Millionen liegen. Über 50 Prozent der Kunden, die die Stadtwerke Hannover derzeit unter Vertrag haben, kommen von Grün-Strom e. V.

Während die Stadtwerke damit beschäftigt sind, die bürokratischen Ummeldeprozeduren abzuarbeiten, will der Verein sein Angebot bundesweit noch bekannter machen. Denn verglichen mit den Mitgliederzahlen der Umweltverbände oder der Ausstiegsparteien SPD und Bündnis90/Die Grünen ist die Zahl der Ökostromkunden immer noch beschämend gering. Man merkt Martin Reinhardt den Ärger an, wenn er von seinen Gesprächen mit Menschen erzählt, die Anti-Atom-Sprüche reißen, ihnen aber keine Taten folgen lassen. Denn die Glaubwürdigkeit im Handeln ist für den selbstständigen Geologen eine wichtige Antriebsfeder. „Wenn man über den Tag hinaus denkt, muss man für seine Kinder ein paar Konsequenzen ziehen“, sagt er schlicht. Und der persönliche Atomausstieg gehört für ihn dazu. LEO FRÜHSCHÜTZ

Kontakt: Grün-Strom e. V., Postfach 2303, 30023 Hannover, Tel. (05 11) 8 07 83-94, Fax -95, Internet www.gruen-strom.apc.de .