„Dazu darf es so nicht kommen“

■ Sozialdemokratische Juristen kritisieren geplantes Polizeigesetz

Das Innenressort rechtfertigt geplante Verschärfungen im Polizeigesetz mit zunehmenden Präventionsaufgaben der Polizei. Das Argument ist, dass insbesondere in den Städten die soziale Kontrolle nachgelassen habe. Dafür sollen jetzt die Kontrollbefugnisse der Polizei ausgeweitet werden – obwohl das alte Polizeigesetz, das die SPD 1983 verabschiedete, als vorbildlich gilt. Die taz sprach mit dem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Jochen Bachmann.

taz: Welche Fehler haben denn die früheren Gesetzgeber gemacht, dass jetzt verschärfend gehandelt werden soll?

Jochen Bachmann, Anwalt: Die Hauptargumente sind wohl neue Kriminalitätsformen wie organisierte Kriminalität und Erscheinungen wie Hooligans und Chaostage. Die Chaostage in Hannover sollen jetzt offenbar in Bremen dazu führen, dass bei einem einfachen Straftatverdacht ein Platzverweis ausgesprochen werden kann – und wenn der nicht befolgt wird, eine In-Gewahrsamnahme. Dazu darf es so nicht kommen.

Im Referentenentwurf ist von einer „verdachtsunabhängigen Befragung“ die Rede. Da heißt es, dass zukünftig „zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug jede im öffentlichen Raum angetroffene Person kurzzeitig angehalten und befragt werden kann“ – inklusive Ausweiskontrolle. Wie werten Sie dies?

Als heikel. Wenn es eine strafprozessuale Maßnahme wäre, hätten wir einen Tatverdacht, auf den hin bestimmte Kontrollen stattfinden. Hier haben wir es aber mit dem Polizeirecht zu tun, das nur eine

abstrakte Gefahr voraussetzt. Das heißt, ein Beamter muss beurteilen, ob seiner Meinung nach jemand eine Straftat begehen könnte. Es könnte zum Beispiel heißen, dass er sich vorstellen muss, ob in einem bestimmten Fahrzeug auf der Autobahn jemand sitzt, der wohl eine Tat begangen haben könnte, die etwas mit dem Ausland zu tun hat.

Fürchten Sie, dass sich der Paragraf gegen Ausländer richtet?

Das ist mit Sicherheit nicht das Ziel der SPD. Aber die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass diese Instrumente insbesondere Ausländer treffen. Das ist heute schon bei normalen Kontrollen so. Beispiel Ladendiebstahl: Da trifft die Aufklärung viel mehr Ausländer – was nicht heißt, dass sie mehr klauen. Der Detektiv achtet stärker auf sie als auf eine 40-jährige blonde Hausfrau. Das Problem ist, dass dem Referentenentwurf zufolge jeder ohne jeden Anlass kontrolliert werden darf. So was konnte man sich bisher höchstens zu Terroristenzeiten vorstellen. Vor zehn Jahren hätten wir gesagt, das sind Polizeistaatszustände.

Der Entwurf sieht auch einen Lauschangriff (§33) vor: „Die Polizei darf das nichtöffentlich gesprochene Wort abhören und aufzeichnen sowie den jeweiligen Aufenthaltsort einer Person bestimmen. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Der Senator soll die dafür nötigen Mittel bestimmen.“

Wir haben inzwischen den kleinen Lauschangriff außerhalb der Wohnung in der Strafprozessordnung verankert. Das ist mit der ausschlaggebenden Stimme von Henning Scherf (SPD) Gesetz geworden. Damals haben schon sehr viele Leute gefragt, ob man das braucht. Heute muss man fragen, warum man das im Polizeigesetz braucht, wenn das schon in der Strafpro-

zessordnung steht. Ich kenne keinen namhaften Polizeirechtler, der aufzeigt für welche Situationen man das unabdingbar braucht.

Bei der jüngsten Anhörung zum Entwurf kamen nur 40 Insider. Fürchten Sie nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung Videoüberwachung und ausgedehnte Personalienkontrollen bereitwillig hinnehmen würde?

Es wird genügend populistisch argumentiert, was man mit welchen scharfen Maßnahmen erreichen könnte. Meines Erachtens werden Ängste geschürt. Das Sicherheitsgefühl, das die Bevölkerung angeblich braucht, hat doch nichts mit Wohnungen überwachen und verdachtsunabhängigen Kontrollen zu tun. Fragen: Eva Rhode