500 Blauhelmsoldaten gefangen

In Sierra Leone droht der UNO-Friedensmission ein Fiasko. Ein falscher Bericht über den Rebellenvorstoß auf die Hauptstadt löst in Freetown Panik und Evakuierungen aus. Dennoch rücken die RUF-Rebellen langsam auf die Stadt vor

FREETOWN/NAIROBI dpa ■ Die Rebellen im westafrikanischen Sierra Leone rücken wieder auf die Hauptstadt Freetown vor. Wie der Sprecher der UN-Mission für Sierra Leone (Unamsil), Philip Winslow, gestern in Freetown sagte, bewegten sich bis zu 1.000 Guerilleros von der Stadt Lunsar rund 70 Kilometer nordöstlich von Freetown auf die Ortschaft Masiaka vor. Die Rebellen benützten Fahrzeuge, die sie von der UNO erbeutet hätten. Winslow zog eigene Berichte zurück, nach denen die Rebellen der „Revolutionären Vereinigten Front“ (RUF) bereits 20 Kilometer vor der Hauptstadt stünden. Damit hatte er die Bevölkerung in der Nacht zum Sonntag in Panik versetzt.

Eine gemeinsame Delegation der RUF und der UNO machte sich gestern auf den Weg in Regionen, in denen UN-Blauhelme von Rebellen als Geiseln gehalten werden. Der Informationsminister Sierra Leones, Julius Spencer, warf der UN in der britischen BBC Panikmache vor. „Die UN-Mission verursacht hier mehr Angst, als dass sie der Bevölkerung hilft“, erklärte er. Spencer räumte jedoch ein, dass die Situation im Land äußerst angespannt sei und die RUF-Kämpfer von ihrer Hochburg Makeni im Innern des Landes auf Freetown vorrückten. Die Bevölkerung habe große Angst vor einer Offensive auf die Stadt. Er bezweifle, ob die UN-Soldaten die Bevölkerung in diesem Fall schützen könnten, sagte Spencer.

Bereits am Samstag hatten zahlreiche Bewohner aus Angst vor einer Rebellenoffensive Freetown verlassen. Hilfsorganisationen begannen mit der Evakuierung ihres Personals. Unamsil-Sprecher Winslow erklärte, die Truppen der Blauhelm-Mission müssten so schnell wie möglich auf die geplante Stärke von 11.100 Mann gebracht werden, um den Frieden des Landes zu sichern.

RUF-Rebellen sollen nach Angaben eines Sprechers der Vereinten Nationen mindestens 500 UN-Soldaten aus Sambia, Kenia, Indien und Nigeria in ihrer Gewalt haben. „Zahlreiche afrikanische Staatschefs haben sich in die Verhandlungen mit Rebellenführer Foday Sankoh eingeschaltet, um die Geiseln zu befreien“, sagte Winslow. Die Entsendung einer gemeinsamen Delegation der RUF sowie der UN in die Konfliktregion war am Samstag durch die Vermittlung eines Sonderbotschafters des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi beschlossen worden.

Der ehemalige RUF-Führer und jetzige Vizepräsident des Landes, Sankoh, hat jede Verantwortung seiner Bewegung für die Entführungen abgelehnt. Die RUF-Rebellen hatten im Mai 1997 den demokratisch gewählten Präsidenten Ahmad Tejan Kabbah gestürzt. Sie regierten das Land sechs Monate lang, bevor die westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog Kabbah 1998 wieder in sein Amt einsetzte. Im Januar 1999 scheiterte die RUF mit der Einnahme Freetowns. Den Kämpfen fielen 5.000 Menschen zum Opfer. Zehntausende wurden verstümmelt. Mit ihrer weltweit größten Blauhelmmission will die UNO in Sierra Leone die Einhaltung des Friedensabkommens vom vergangenen Juli sowie die darin beschlossene Entwaffnung der Milizen überwachen. Rund 25.000 Rebellen haben ihre Waffen aber noch nicht niedergelegt.