Chemiedämpfe statt Elektrosmog

Funkwellen von Handys machen krank, so lautet eine verbreitete Furcht. Schwedische Arbeitsschützer entdeckten, dass vielmehr Chemikalien in den Handys Probleme bereiten: Sie fanden in den Telefonen Spuren von altbekannten Pestiziden

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Müdigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautausschläge. Das sind die typischen Symptome einiger ausgiebiger Handynutzer, denen das Telefonieren nicht bekommt. Bislang suchte man Ursachen unter dem Stichwort Elektrosmog. Doch nicht die verdächtigten Funkwellen könnten hinter den Beschwerden stecken, sondern chemische Dämpfe. Das vermutet Sven Persson vom schwedischen Arbeitsschutzinstitut.

Er entdeckte, dass Plastikschalen und andere Bauteile der Handys eine Reihe von Chemikalien ausdünsten, die genau die beobachteten Symptome verursachen können. Chemikalien, die teilweise als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden, die giftig für die Haut sind und durch diese absorbiert werden – und die teilweise Krebs und Allergien auslösen können: Phenole, Kresole, Biphenyle, Trichlorphenole, Dibenzofurane.

All das schwitzen die Handys beim täglichen Gebrauch aus. Beim Pressen ans Ohr entsteht genug Wärme und Schweiß, um die Stoffe herauszulösen und von der Haut aufzunehmen. „Es ist als ob man eine druckimprägnierte Holzplanke als Kopfkissen benutzt“, erklärt Sven Persson.

Der Arbeitsschützer war vor zwei Jahren zufällig auf diese Spur gestoßen: „Eine Frau, die große Gesundheitsprobleme hatte, wurde fast symptomfrei, als sie ihr Handy in eine Plastiktüte steckte.“ Weil die Funkwellen so eine Tüte problemlos durchdringen, schied „Elektrosmog“ als Erklärung aus. Sven Persson machte daran, die Chemie im Handy zu analysieren.

Mobiltelefone unterschiedlicher Hersteller wurden bis zu ein Jahr lang in abgedichtete Glasbehälter gestopft. Persson pumpte Luft durch die Behälter und filterte sie. In den Filtern habe sich das Gleiche gesammelt, berichtet Persson, was man aus druckimprägniertem Holz kenne. „Nur dass die Verwendung so mit Pestiziden behandelten Holzes in Wohnbereichen streng verboten ist.“ Leider konnten die Chemiker mit ihrer Methode nicht die Konzentration der Gifte bestimmen. „Wir haben die Fingerabdrücke gefunden – jetzt erwarten wir eine Reaktion der Hersteller.“

Diese gaben sich ungläubig bis erschreckt. Mats Pellbäck-Scharp, Umweltverantwortlicher beim schwedischen Handymulti Ericsson ist von den Ergebnissen überrascht und kündigt eigene Studien an: „Die Hüllen der meisten Ericsson-Telefone sind aus Polykarbonat und ASB-Plastik gefertigt, die können solche Chemikalien nicht abgeben.“ Doch es könnten auch kleine Bestandteile aus Phenolplast in den Apparaten selbst sein oder Details im Herstellungsprozess: Beim schwedischen Lieferanten Nolatol-Mobile und ähnlich bei anderen Zulieferfirmen, die praktisch alle Handyhersteller beliefern, wird laut Informationen der schwedischen Wissenschaftswochenzeitung Ny Teknik ein phenolhaltiges Gleitmittel benutzt, um die Handyhüllen nach dem Pressvorgang leichter aus Gussformen herauslösen zu können.

„Da bekommen wir ein großes Problem mit dem Plastik, das es in all den anderen elektronischen Geräten gibt“, sagt Jan Ahrenbring, Handy-Marketingchef von Ericsson. „Das ist ja im Großen und Ganzen das gleiche Produkt.“ So könnten bald neue Berufskrankheiten entstehen, ähnlich dem Lösungsmittelproblem in der Malerbranche. „Das kann schnell eskalieren“, urteilt Johan Högberg, Professor am Arbeitsschutzinstitut. „Ist man diesen Chemikalien eine Zeitlang ausgesetzt, kann das den Körper sensibilisieren, also zu einer überempfindlichkeit führen – selbst bei extrem niedriger Dosis.“