Fortgesetzter Lebensweg

■ Vier Jahre Gefängnis für Ramona S. : Eigenes Leid rechtfertigt ihre Taten nicht

Der erste Monat war der „Himmel auf Erden“: Ein Dach über dem Kopf und genügend Kokain, um die Sucht zu stillen. Dann musste die dreizehnjährige Vanessa ihre Schulden abarbeiten, und das hieß zehn Freier am Tag, bei Weigerung Ohrfeigen und Brandwunden zur Strafe (taz berichtete). Ramona A., die das Mädchen 1998 in ihre Wohnung aufgenommen und auf den Strich geschickt hatte, wurde ges-tern vom Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Sie habe sich des schwerem Menschenhandels, Förderung der Prostitution, Zuhälterei, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in über dreißig Fällen schuldig gemacht.

„Sie hat die Zwangslage des Kindes ausgenutzt, das auf der Straße lebte“, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Die Alternative zum Leben bei Ramona A. wäre für die kokainsüchtige Dreizehnjährige ein Aufenthalt in der geschlossenen Psy-chiatrie gewesen. Durch die verhängte Gefängnisstrafe solle verdeutlicht werden, dass es „schweres Unrecht war, was sie dem Mädchen angetan hat“.

Das will Ramona A. selber erstmals erahnt haben, als sie Anfang des Jahres wegen der Vorwürfe in Untersuchungshaft saß, sagt ihre Anwältin. Zuvor sei es für sie der vertraute Lebensweg eines jungen Mädchens gewesen, denn Ramona A. hatte selbst erlebt, was sie später Vanessa abverlangte: Die heute 34-Jährige nimmt auch Kokain und arbeitet als Prostituierte, seit sie 12 Jahre alt war. Sie hatte darum gebeten, statt ins Gefängnis zur Drogentherapie gehen zu können.

Dennoch hatte auch der Staatsanwalt vier Jahre Haft gefordert. Zwar müsse der eigene Lebensweg strafmildernd berücksichtigt werden. Doch Ramona A. sei „in ganz verwerflicher Form mit dem Schicksal einer Dreizehnjährigen umgegangen“, sagte er und äußerte sein Unverständnis darüber, wie man „als erwachsener Mensch einem Kind so etwas antun kann“.

Die Anwältin von Vanessa betonte, das Mädchen habe mit ihrer Anzeige bei der Polizei vor allem vermeiden wollen, dass die Angeklagte „so etwas noch einmal mit einem anderen Mädchen abzieht“. Das eigene Leid, fügte sie hinzu, „darf nicht dazu führen, anderen Menschen wehzutun“.

Elke Spanner