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Sitzen bleiben in Hamburg

■ Die Kulturetage bietet dem jüngerem Publikum jetzt die Alternative zur Party: Beim Festival „Junges Gemüse“ rühren Theatergruppen die Sparten durcheinander

Die Oldenburger Kulturetage gibt sich figurfreundlich. Zum Start in den Sommer setzt das Veranstaltungszentrum „Junges Gemüse“ auf den Kulturspeiseplan. Das Festival für NewcomerInnen will mit Trendkost auch jüngere Publikumsschichten an die Kulturetage binden, die sonst nur auf Partys reinschneien.

Als Vorspeise wird zum Auftakt am 11. Mai um 20 Uhr die Frauentheatergruppe „draußenman“ gereicht, die mit „Sitzen in Hamburg“ im letzten Jahr an den Hamburger Kammerspielen Furore gemacht hatten. Tschechows „Drei Schwestern“ sitzen hier – eben in Hamburg – Patin, träumen von der Großstadt Berlin, scheitern an sich selbst, ihren Ansprüchen, Unfähigkeiten. Auch Katja Gaub aus Zürich reibt sich amüsierend an dem russischen Dramatiker ab. Mit „Odessa ist nicht in Moskau“ befragt sie mit ihrem Ensemble (am 15. Mai) die Kurzgeschichten Tschechows nach der Realität des russischen Traumes von der Gleichheit der Menschen.

In Friederike Hellers „Etwas ist faul in D.“ krachen Klassik und Trivialität aufeinander. William Shakespeare meets Enid Blyton: Die Fünf Freunde klären am 13. Mai den Mord an Hamlets Vater auf. Auf den Theaterbühnen des Festivals scheint es also sehr mixed, retro, trashig und lebendig zuzugehen. Hier geben dieses Jahr junge Frauen den Ton an, weil die „einfach derzeit die spannenderen Projekte machen“, meint Festivalleiterin Cordelia Wach.

Skurriles gibt den Stoff für eine Inszenierung des „Oldenburger Uni Theaters“ (OUT). Oliver Sacks Fallstudien inspirierten Matthias Grön zu „Rose, wach auf“, einem Kooperationsprojekt mit FolkwangtänzerInnen und der Oldenburger Kulturetage (12. Mai). Überhaupt deuten die spartenübergreifenden Projekte wohl am deutlichsten an, was trendy ist im Gemüsebeet. Dazu gehören auch die frechen Früchtchen des Grundausbildungsprojektes des Theaters Groningen mit „Ero(t)ica“ (13. Mai), Branco Simics musikantene Politfarce „Ein Grabmahl für Boris Dawidowitsch (20. Mai) und „Die schönste Frau der Welt“, ein musikalisch-theatralisches Waits-Bukowski-Komp(l)ott.

Doch nicht nur Theater will die Kulturetage in Kooperation mit „OUT“ präsentieren, sondern auch die Shooting-Stars der Film, Musik- und Literaturszene. Als solcher wird nach wie vor Benjamin von Stuckrad-Barre gehandelt, der auch gleich nach FAZ-Redakteursart das ganze Literaturressort des Festivals mit Beschlag besetzt. Das Definitionsmonopol wird also von der Festivalleitung offenbar akzeptiert.

Wer dann am Abend des 19. Mai genug hat von benjaminischen Worten, aber immer noch Lust verspürt auf Pop, kann sich von „Eat no Fish“ gepflegt die Ohren durchpusten lassen. Und der Film feiert quasi ein einsames Heimspiel, mit dem Ex-Oldenburger Sebastian Schipper und seinen Zelluloidwerken „Absolute Giganten“ und „Heldensommer“ (18. Mai). Schipper steht wie auch andere MacherInnen auf diversen Festivaltalks zu Gesprächen bereit.

Und wenn das junge Publikumsgemüse dann – inspiriert und begeistert – auch noch unbedingt auf die Bretter stürmen will, die in der Regel kein Geld bedeuten: Am 16. Mai (Informationstag Theaterberufe) steht der nette Berufsberater vom Arbeitsamt hinterm Infotisch mit Rat und Broschüren bereit – freundlich unterstützt von Profis aus der Branche. Marijke Gerwin

Kontakt und Karten unter Tel.: 0441/92 48 00

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