Schill und Springer diskutieren mit

Chaotische Debatte über Rote Flora in der Bürgerschaft. Innensenator Wrocklage versucht sich als liberal zu profilieren  ■ Von Elke Spanner

Ole von Beust ist ein aufmerksamer Zeitungleser. Die von der Bild-Zeitung losgetretene Kampagne gegen das linke Stadtteilzentrum Rote Flora hat er dankbar aufgegriffen. Feige sei er, schimpft auch der CDU-Fraktionsvorsitzende jetzt, der Hamburger Senat, weil der die Flora nicht umgehend abreißen will. Von jedem „kleinen Bürger“ werde erwartet, dass er sich an die Gesetze hält – nur von den RotfloristInnen angeblich nicht. Auch das hatte ihm das Revolverblatt mit auf den Weg gegeben.

Der boulevardeske Einstieg des CDU-Abgeordneten gibt die Linie der Debatte in der Hamburger Bürgerschaft am gestrigen Nachmittag vor. Alle Fraktionen hatten die Ausschreitungen in der Nacht zum 1. Mai auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde setzen lassen. Nun arbeiten sich SPD-GAL und Regenbogen allerdings weniger daran als an den ChristdemokratInnen und der Bild ab. Denn der eigentliche Skandal, so befindet GAL-Fraktionschefin Antje Möller, sei nicht die Nacht, „die ein friedlichens Ende gefunden hat“, sondern die Reaktion darauf.

Fakten, hält die Regenbogen-Abgeordnete Heike Sudmann den ChristdemokratInnen vor, „interessieren Sie nicht“. Die Flora habe in jener Nacht nur eine Rolle gespielt: wie in umliegende Cafés auch, seien dorthin „Menschen vor Polizeiknüppel geflohen“. Indem die CDU der Flora „die Kollektivschuld“ für alle Probleme des Schanzenviertels zuweise, betreibe sie ,geistige Brandstifterei'. Wie schon bei der Kampagne gegen Bauwagenplätze würden nun neonazistische Gruppen auf den Zug aufspringen, den die CDU ins Rollen gebracht habe. Ihre letzen Worte gehen im lauten Gehöhne aus den Reihen der CDU unter.

Als Innensenator Hartmut Wrocklage (SPD) in die Bütt steigt, herrscht eine Stimmung wie im Fußballstadion. Er behauptet, „in Hamburg tanzt niemand dem Staat auf der Nase herum“, und die Christdemokraten jaulen auf wie bei einem verschossenen Elfmeter. Wrocklage nutzt die Gunst der Stunde, sich von der Union abzugrenzen und als liberal zu profilieren: Zwar sei der Polizeieinsatz ein „durchgreifender Erfolg“ gewesen, „das politische Problem Rote Flora“ könne aber nicht allein mit polizeilichen Mitteln gelöst werden. Wer nun nach der Räumung der Flora rufe, hält er der CDU vor, müsste konsequenterweise alle „Fußballstadien plattmachen, um das Problem gewalttätiger Hooligans zu lösen“. Als seine Strategie kündigte er hingegen an, bei „unserer besonnenen und konsequenten Polizeiarbeit zu bleiben“.

Auch der SPD-Abgeordnete Werner Dobritz betont, dass es zwar „Situationen geben kann, in denen geräumt werden muss“, derzeit sei das aber nicht das Ziel. SPD und GAL mahnen vielmehr Vertragsverhandlungen mit der Flora an. Die Regenbogen-Abgeordnete Sudmann gibt zu bedenken, dass „jede Lösung die heutige Nutzung der Flora auch weiterhin möglich machen muss“.

Vor wenigen Wochen hatte auch die CDU noch einen Vertrag befürwortet, jetzt lehnt sie alle Verhandlngen kategorisch ab. Ihr innenpolitischer Hardliner Heino Vahldieck: „Als Reaktion auf unsere ausgestreckten Armen kam von der Roten Flora der ausgestreckte Mittelfinger.“ Für ihre Ablehnung ernten die Christdemokraten den Vorwurf von SPD-Fraktionschef Holger Christier, ein „opportunistisches Trauerspiel“ zu liefern. Denn rechtsaußen mache sich Konkurrenz für die CDU breit, oder, wie Innensenator Wrocklage es später formulieren wird:“ Sie haben Schiss vor Schill.“ Jetzt hat er die Lacher auf seiner Seite.

Wer sollte da noch auf die Regenbogen-Abgeordnete Sudmann eingehen, die dem Innensenator zuvor vorgeworfen hatte, mit „dem überharten Polizeieinsatz und den Massenfestnahmen erst den Fokus auf die Flora gerichtet zu haben? Der Polizeieinsatz in der Nacht habe am obersten, „wenn nicht gar über dem „Rand der rechtlichen Möglichkeiten“ gelegen.