Neulich beim LSD-Tanztee

■ Plattenlabels in der Region Bremen (1): Die Swamproom-Records fördern die wild brodelnde Morast-Kultur. Jetzt feiert das Psychedelic-Label ein Happening in Hannover

Vor ungefähr zehn Jahren in Hannover: Der mit seiner Band 39 Clocks zu einer Legende des deutschen Untergrunds gewordene Jürgen Gleue bringt auf seinem Label Swamproom-Records seit den späten Achtzigern Sampler heraus. Sie heißen „Swamproom-Compilations“ und sind für viele Bands der einzige und einzig wahre Weg, den kleinen Zirkeln mit Interesse an jenen etwas anderen Sounds der Sechziger ihre Musik zu offenbaren: Psychedelic, Beat und Garage-Trash.

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort trifft Willem Kucharzik bei einem LSD-Tanztee auf Anders Becker und Martin König. Gerade hat er seine Garage-Band aufgelöst und sucht neue Musiker. Die drei gründen eine Band. Nachdem sich jemand gefunden hat, der mit Wa-ckelpudding, Diaprojektoren und einer Vielfalt von Flüssigkeiten Lightshows anrichtet, ist auch der Name gefunden: Mandra Gora Lightshow Society richtet seither eine raumgreifende ätherische Psychedelia her und mixt das Ganze mit einer Lightshow, deren Farben Legion sind.

Doch für Willem war auch das noch nicht ausfüllend. Der Sampler-Herausgeber Jürgen Gleue hatte mittlerweile auch eine neue Band, Phantom Payn, und wollte mehr Zeit zum Musizieren haben. Willem übernahm deshalb Swamp-room-Records und mit dem Label nicht nur die Philosophie.

„Swamproom-Records“, sagt Willem, „will nicht den Sumpf urbar machen, sondern seine wild brodelnde Morast-Kultur fördern!“ Das bescherte ihm zugleich auch einen Haufen Arbeit, die den Sänger und Gitarristen, der ständig zwischen Hamburg und Hannover hin- und herreist, ausreichend beschäftigt. Dafür bringt sie ihm auch einen Teil der Miete ein. „Den anderen Teil muss ich aber immer noch mit Tagesjobs verdienen, am Bahnhof Wochenend-Tickets verkaufen und so“, sagt Willem.

Natürlich reicht es nicht, dass Willem Platten seiner eigenen Band und ein paar anderer Leute verkauft. So bestreitet er außerdem den Vertrieb verschiedener kleiner Labels, arbeitet unter anderem mit der Knitting Factory zusammen und schreibt nebenbei auch noch für das Harakiri-Magazin. Schließlich gibt er auch noch das einzige deutschsprachige Fanzine für Psychedelik, das „Space Your Face“, heraus. Dort geht es nicht nur um die Musik, sondern auch um Wissenswertes über das, was bei manchen Leuten psychedelische Zustände erst ermöglicht. Als echtes Fanzine bespricht „Space Your Face“ nichts, was aus Werbezwe-cken kostenlos zugesandt wurde.

Haben wir etwas vergessen? Willem managt natürlich seine eigene Band, aber auch die Bremer Roots-Rocker Velvetone. „Velvetone sind eine absolute Ausnahmeband“, sagt er, und das ist Grund genug wie Voraussetzung, dass er sich auf so was überhaupt einlässt. „Die Bands, mit denen ich arbeite, müssen in irgendeiner Form außergewöhnlich sein. Nicht unbedingt außergewöhnlich gut, aber in irgendeiner Form extrem. Was auf Swamproom erscheint, ist deshalb definitiv abhängig von meinem Geschmack“, stellt Willem fest. „Und der ist sehr vielschichtig. Ich höre nicht nur Sixties, sondern auch Psychedelic und Beat“, meint er tro-cken, und auch wenn das ein Witz ist, übrigens kein schlechter, hat er schon klare Vorstellungen davon, was eben gut ist.

Demnächst wird er nebst anderem für die hiesige Veröffentlichung der Solo-Projekte ehemaliger Mitglieder von Camper Van Beethoven sorgen. Und am kommenden Wochenende gibt es wieder mal ein Swamproom-Happening. Das wievielte es ist, weiß niemand mehr, aber es waren einige. „Jürgen Gleue hat welche veranstaltet, ein paar in Bremen, ein paar in Hannover, eins in Berlin, und dann habe ich damit weitergemacht. Eins war sogar in Kopenhagen.“

In Hannover jedenfalls spielen am Freitag und Samstag knapp zwanzig Bands zwischen Garage, Psychedelic, Rock'n'Roll, Pop, Acidrock, Stonerock und allem, was weit draußen ist. Willem, Anders und Martin sind natürlich auch dabei, um mit ihrem neuen Sänger Timo fein ziselierte und ausschweifende Psychedelik zu stricken. Aus London reist Nick Salomon mit seiner Band The Bevis Frond an, die auf geschätzten 18 Alben unsterbliche Momente himmelfahrenden Acidrocks geschaffen haben und sich auf der Bühne gern in epischer Breite ergehen.

Velvetone spielen ebenso wie Hank Ray von den Raymen, Bremens neue Frauenband Sauce O'Landaise, der notorische Joe Bloeck, Thee Ultra Bimbos, die auch schon die Breminale gerockt haben, The Perc und ein ganzer Haufen mehr, aber damit hat es sich noch nicht. „Parallel zu den Shows gibt es im Goldenen Salon die Elect Video Lounge vom Harakiri-Kulturmagazin“, erzählt Willem, und angeblich soll es sogar möglich sein, im Fössebad zwischendurch ein Bad zu nehmen. Ein Happening eben. Dafür lohnt sich sogar eine Reise nach Hannover.

Andreas Schnell

Das Swamproom-Happening findet am Freitag und Samstag im Bei Chez Heinz im Fössebad in Hannover-Linden statt. Wer sich über Termine und News informieren will, schaut im Internet unter www.mandra-gora.de nach.