Bahn-Bilanz negativ

Das Unternehmen gab gestern Verluste in Millionenhöhe für das erste Quartal bekannt. Grund: Großprojekte werden immer teurer

BERLIN taz ■ Als erfahrener Manager ist es Hartmut Mehdorn gewohnt, nach vorne zu blicken und Optimismus zu verbreiten. Doch was der Bahnchef gestern in Berlin als Bilanz des ersten Quartals 2000 vorstellte, gibt Grund zur Sorge. „Das bisher Geleistete reicht nicht“, sagte Medhorn.

Tatsächlich bleiben nahezu alle Bereiche hinter den Erwartungen zurück: So fuhr die Deutsche Bahn von Januar bis März einen Betriebsverlust von 68 Millionen Mark ein – eine schmerzhafte Enttäuschung, hatte der Bahn-Vorstand doch mit einem Betriebsgewinn von 148 Millionen Mark gerechnet. Als Grund für die Fehlkalkulation nannte Mehdorn gestern die empor schnellenden Kosten für die Großprojekte, allen voran der Lehrter Bahnhof und die ICE-Strecke Frankfurt – Köln.

Im gesamten Jahr 1999 hat die Bahn einen Gewinn vor Steuern von 177 Millionen Mark erwirtschaftet. Im Vorjahr waren es mit 394 Millionen Mark noch weit mehr als doppelt so viel gewesen. Abzüglich der Steuern schreibt das „Unternehmen Zukunft“ mit diesem Ergebnis erstmals seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1994 wieder rote Zahlen – in Höhe von 170 Mill. Mark. Und das, obwohl der Umsatz insgesamt um 1,8, Prozent auf 30,6 Mrd. Mark immerhin noch leicht gestiegen ist: Im Personenverkehr nahm er um 2,5 Prozent auf gute 22 Mrd. Mark zu, im Güterverkehr hingegen schrumpfte er um 2, 3 Prozent auf 7 Mrd. Mark.

Für dieses Jahr malt der Bahn-Vorstand schon den nächsten Teufel an die Wand: Der geplante Umsatz von 30,8 Mrd. Mark werde um bis zu 800 Mill. Mark unterschritten. Allerdings hofft der Finanzvorstand auf „zusätzliche Geschäfte“ durch die Expo.

Indes sieht es vorerst danach aus, dass die Bahn weiter Verluste einfährt. Denn die Personalkosten übersteigen die Wertschöpfung, die das Unternehmen aus jedem seiner 235.059 Mitarbeiter erzielt, um fast 4.000 Mark pro Angestellten. Laut Plan hätten im vergangenen Jahr gut 7.000 Stellen mehr abgebaut werden sollen. Um die Verluste aufzufangen, griff das Unternehmen 1999 bereits auf Rückstellungen von fast 900 Mill. Mark zurück.

„Die Bilanz zeigt, dass die Bahn dringend Unterstützung von der Bundesregierung braucht“, kommentierte Ali Schmidt, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, die Bahn-Misere. Dabei sei die dramatische Entwicklung gar nicht neu: „Mehdorn ist schlicht und einfach der erste, der Klartext redet. Seine Vorgänger haben die Bilanzen durch einmalige Einnahmen wie Verkäufe schöngerechnet.“KATHARINA KOUFEN