Übernimmt Sierra Leones Militär die Macht?

Regierungssoldaten und britische Eingreiftruppe in der Offensive gegen RUF-Rebellen. Von UNO und Friedensprozess ist nichts zu sehen

BERLIN taz ■ In Sierra Leone herrscht wieder Krieg. Seit Mittwoch ist eine Großoffensive der Regierungsarmee mit Unterstützung britischer Eingreiftruppen gegen die Rebellenbewegung „Revolutionäre Vereinigte Front“ (RUF) im Gange. Schwere Gefechte gibt es entlang der Straßen, die die Hauptstadt Freetown mit dem Landesinneren verbinden. Die RUF, die etwa 500 UN-Soldaten in ihrer Gewalt hat, soll aus mehreren Ortschaften zurückgedrängt worden sein. Die UNO ist aus den Kampfgebieten abgezogen.

Die mittlerweile 1.000 britischen Soldaten in Sierra Leone, zu Wochenbeginn offiziell zur Evakuierung von Ausländern entsandt, zeigen nun ihr wahres Gesicht. 40 Elitesoldaten der britischen Luftlandeeinheit SAS sollen direkt an den Kämpfen teilnehmen, andere Einheiten haben Straßensperren errichtet. Die Rolle der Briten, so gestern die Londoner Abendzeitung Evening Standard, wachse stündlich.

Einem Bericht der gewöhnlich gut informierten Freetowner Zeitung Concord Times zufolge sind außerdem Soldaten aus Nigeria sowie ein Kontingent von 106 Russen mit Tschetschenien-Erfahrung nach Sierra Leone unterwegs. Von Präsident Ahmed Tejan Kabbah sowie der UNO ist zu dieser Offensive, die den geltenden UN-überwachten Waffenstillstand bricht, wenig zu hören. Ein Grund dafür könnte sein, dass die treibende Kraft dahinter der frühere Militärputschist Johnny Paul Koroma ist, der 1997–98 schon einmal das Land regiert hatte. Damals kämpfte Koroma mit der RUF gegen Kabbah, heute unterstützt er Kabbah gegen die RUF. Die Concord Times meldet, Koromah habe über Rundfunk zum gemeinsamen Kampf seiner Anhänger, der Regierungsarmee und einer Kabbah-treuen Miliz gegen die RUF aufgerufen und stehe nun an der Spitze dieses Bündnisses. Alle beteiligten Kräfte sind eigentlich genauso wie die RUF zur Demobilisierung verpflichtet. D. J.