Schröder sonnt sich im Bundestag

Wahlkampf statt Regierungserklärung: Der Kanzler schwärmt von seinen Erfolgen und schwadroniert vom Aufschwung im Osten. Die gute Laune kann ihm auch die CDU nicht vermiesen. Merz würde Schröder am liebsten in die Toskana schicken

von TINA STADLMAYER

Wahlkampfzeit ist die Zeit der Schwarzweißmalerei – auch im Bundestag. Drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verbuchte Bundeskanzler Schröder die gesunkenen Arbeitslosenzahlen und das steigende Wirtschaftswachstum gestern als Erfolg seiner Regierung. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz konterte, die günstige Entwicklung sei nicht wegen, sondern trotz der Regierungspolitik zu Stande gekommen.

In seiner Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik schwärmte Schröder von den „sichtbaren Erfolgen“ seiner Regierung. Die Arbeitslosigkeit sei unter vier Millionen gesunken, und die wirtschaftspolitische Situation sei „glanzvoll“. Zweifel seien nicht mehr erlaubt: „Es gibt einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung.“ Schließlich erwarteten die Wirtschaftsinstitute in diesem und im kommenden Jahr ein Wachstum von 2,8 Prozent. Auch im Osten Deutschlands gebe es den Wirtschaftsaufschwung, beteuerte der Kanzler. Dann passierte ihm ein peinlicher Lapsus, den PDS-Fraktionschef Gysi später genüsslich zitierte: Im Osten gebe es nicht so viele Ausbildungsbetriebe „wie bei uns“, sagte der Kanzler aller Westdeutschen.

Eines sei nun die „große Aufgabe“ der Bundesregierung: „Die breiten Schichten unserer Bevölkerung müssen am Wirtschaftswachstum gerecht beteiligt werden.“ Eindringlich warnte Schöder die Union vor einem Nein zur Steuerreform im Bundesrat: „Wer diese Reform blockiert, der blockiert den Aufschwung und die Chancen für die jungen Leute in diesem Land.“ Für seine als Regierungserklärung getarnte Wahlkampfrede bekam der Kanzler Pflichtbeifall von den roten und grünen Abgeordneten.

Friedrich Merz von der Union übernahm den Gegenpart des Schwarzmalers: Deutschland hinke im Vergleich mit anderen EU-Ländern und den USA beim Wirtschaftswachstum deutlich hinterher. Es sei „mit Italien Schlusslicht in der Europäischen Union“. Und: Wäre die Zahl der neuen Arbeitsplätze wie im EU-Durchschnitt gewachsen, dann hätte es nicht „gerade mal“ 30.000, sondern 500.000 Beschäftigte mehr geben müssen. In den neuen Bundesländern sei die Lage „besonders trostlos“: „Dort ist die Arbeitslosigkeit sogar gestiegen.“

Der Rückgang der Arbeitslosenzahlen im Westen sei weitgehend darauf zurückzuführen, dass „sehr viel mehr Ältere aus dem Arbeitsleben ausscheiden, als Jüngere nachwachsen“. Dieser Prozess werde sich fortsetzen, sagte er an den Bundeskanzler gewandt: „Auch dann, wenn Sie mit Ihrer ganzen Regierung bis zum Ende der Wahlperiode in die Toskana fahren.“

Trotz allen Wahlkampfgetöses bot Merz der Regierung an, in der verbleibenden Woche bis zur abschließenden Lesung des Gesetzes zur Steuerreform nach einem Konsens zu suchen. Die CDU wolle ebenfalls an einer Reform der Renten und der Krankenversicherung mitarbeiten. Beide Reformen müssten jedoch „langfristig“ angelegt sein, „sonst sind wir nicht bereit, den Karren aus dem Dreck zu holen“.

Am Ende seiner Rede machte Merz noch einmal Wahlkampf pur: „An Beliebigkeit und schönen Medienbildern, da sind Sie uns überlegen“ sagte er zum Bundeskanzler, „aber zu einer langfristig angelegten Politik fehlt Ihnen der Mut.“ Schröder versucht locker zu bleiben. Er lacht laut und verschränkt die Arme abwehrend vor der Brust. Während der Rede des 44-jährigen Shootingstars hatte der Kanzler demonstrativ mit Außenminister Fischer geplaudert. Bis ihn Merz anfuhr: „Störe ich Sie auf der Regierungsbank mit meinem Debattenbeitrag?“

Den Vogel aber schoss wieder mal der FDP-Spitzenkandidat in NRW, Jürgen Möllemann, ab. Ungeniert bat er „um die Stimmen der Wähler in Nordrhein-Westfalen“ und verabschiedete sich: „Ich gehe jetzt nach Düsseldorf in den Landtag und in die Landesregierung.“ Nach einer Schrecksekunde brachen SPDler und Grüne in johlendes Gelächter aus.