Die Platte mit Sprung

As last year: Der THW Kiel bezwingt Flensburg mit 32:25 und wird wohl wieder Deutscher Handballmeister werden  ■ Von Matthias Anbuhl

Gott ist kein Handballer. Ansons-ten würde er sich nicht alljährlich zum Finale der Meisterschaft ein derart schnarchiges Szenario ausdenken. Und das sieht so aus: Stets schafft es der Emporkömmling aus Flensburg, sich gegen Mitte der Saison einen beträchtlichen Punktevorsprung herauszuarbeiten, um diesen am Ende beim Branchenprimus THW Kiel wieder zu verspielen – wie 1999, so auch 2000. Mit 32:25 (14:10) bezwang der THW am Donnerstag die SG Flensburg-Handewitt in der Kieler Ostseehalle.

Zwei Spieltage vor Ultimo haben die „Zebras“ jetzt zwei Zähler Vorsprung auf die SG und das klar bessere Torverhältnis. Während der Abo-Titelträger von der Kieler Förde die sechste Meisterschaft binnen sieben Jahren anvisieren, dürfen die Handballer von der dänischen Grenze nun mit dem Vize-Triple (Vize-Meister, Vize-Pokalsieger und Vize-Europacupgewinner) liebäugeln. „Es ist schon bedenklich, wie sehr bei uns immer gegen den THW die Nerven blank liegen“, resümierte Flensburgs Jan Fegter unmittelbar nach Spielende. Selbst Zebra-Coach Zvonimir Serdarusic zeigte sich verblüfft: „So klar habe ich das nicht erwartet.“ Das Handball-Titelrennen ist so abwechslungsreich wie eine Schallplatte mit Sprung – immer und immer das alte Lied.

In der Tat schien es so, als wolle die SG der Konkurrenz den Titel auf dem Silbertablett servieren. „Wir waren nahe an der Meisterschaft, sind dann aber an unseren Nerven gescheitert“, signalisierte Torwächter Jan Holpert bereits vor der wohl titelentscheidenden Partie Kapitulation. Entsprechend desorientiert gingen seine Teamkollegen zu Werke. Lediglich bis zum 8:9 in der 20. Minute konnten die phlegmatischen Flensburger mithalten. „Danach haben wir einfach kein Bein mehr an den Boden bekommen“, meinte Fegter später.

Rasch zogen die Gastgeber zur Halbzeit auf 14:10 davon, um im zweiten Spielabschnitt vollends zur Demontage des unliebsamen Gegners zu schreiten. „Ich hatte noch in der ersten Hälfte von einer 3:3-Deckung auf eine 3:2:1-Formation umgestellt. Gebracht hat das nichts. Die Kieler waren heute einfach zu stark“, analysierte Flensburgs Trainer Erik Veje Rasmussen treffend. Was vor allem an dem vorzüglichen Nenad Perunicic (11 Treffer) und Staffan Olsson (6) lag. Zudem präsentierte sich Kiels Keeper Steinar Ege in besserer Form als seine Gegenüber Jan Holpert und Sören Haagen. Logische Folge: Zum Schluss gab's ein 32:25. „Das war schon peinlich“, bat Jan Fegter den passionierten SG-Anhang später um Verzeihung.

Bleibt die Frage, was immer wieder den Unterschied zwischen den beiden Nordclubs ausmacht – und die lässt sich leicht beantworten. Denn während Kiel mit Staffan Olsson, Magnus Wislander und Stefan Lövgren das Gerüst der schwedischen Weltmeistermannschaft verpflichtet hat, setzt man in Flensburg ganz auf das Kollektiv ohne herausragende Einzelakteure. Ein System, das funktioniert – solange es um nichts geht, der Gegner sich wenig wehrt und das Trikot schön flauscht. „Wenn es aber hart auf hart kommt, fehlt uns ein Mann, der die Kohlen aus dem Feuer reißt“, schwante es Holpert unlängst. „Ein paar Spieler haben nicht genug Substanz, da müssen wir uns Gedanken machen“, drohte Trainer Rasmussen gar am Donnerstag. Und auch der SG-Vizepräsident Frerich Eilts erkannte schon nach dem verlorenen EHF-Cup Finale, „dass einige Spieler ihren Horizont bereits erreicht haben.“

Derweil gab es vom THW-Manager Uwe Schwenker tröstliche Worte für den Konkurrenten: „Ich denke nicht, dass wir den Titel schon sicher haben. Es folgen noch zwei schwere Spiele.“ Sprach es und besann sich offenbar eines Besseren: „Wir haben in diesem Jahr gegen die SG dreimal gespielt und dreimal gewonnen. Da kann man wohl von einer verdienten Meisterschaft sprechen.“ So Gott will.