Kreißsaal hautnah und authentisch

Das erste Kind kommt • bloß wie und wo? Ein Streifzug durch Bremens Geburtsstätten mit seinen Sprossenwänden und Wassergeburten / Wo lässt es sich denn nun angenehm und sicher gebären?

„Ich glaube, ich muss rüber“, sagt Hebamme Rita und verschwindet in Richtung Kreißsaal. Die Frau, die dort ihr Kind zur Welt bringt, stöhnt laut und lange. Fünf Paare, denen die Hebamme eben noch etwas von „selbstbestimmter Geburt“ erzählt hat, machen große Augen. Der geburtshilfliche Informationsabend am Diako-Krankenhaus (“Kreißsaal hautnah“) beginnt ziemlich authentisch.

Ein Erfahrungsbericht also. hase ist seit etwas mehr als einem Monat in Bremen, taz-Redakteur und in guter Hoffnung. Ende Juli soll die Hasen-Freundin, die mit an die Weser gezogen ist, ein Kind bekommen. Der Bauch rundet sich, und auch der Stapel Fachliteratur ist inzwischen ordentlich gewachsen. Motto: „Es arbeitet mich“, wenn die Wehen kommen. So etwas steht nämlich in diesen Büchern, die auf einen herniederregnen, haben Freunde und Verwandte erst einmal Wind von der Sache bekommen. Es arbeitet mich. Doch bis dahin ist noch eine Menge zu entscheiden. Wo zum Beispiel soll das kleine Häschen überhaupt zur Welt kommen? Und wie?

„Geh in die Knochenhauerstraße“, rät eine Kollegin. Also, ab zur „Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“. Das klingt gefährlich, zumal im ZGF-Logo das Zeichen der Bewegung integriert ist. Doch in der Knochenhauerstraße gibt es die Bibel all jener, die hierzulande Nachwuchs erwarten: „Schwanger in Bremen und Bremerhaven“, eine dickleibige Broschüre mit einem Cover, das an ein TV-Testbild gemahnt. Nicht schön, aber gratis. Und voller „Adressen, Tipps, Informationen“.

Auf Seite 145 beispielsweise erfährt man, dass Eltern und Baby in „emotionellen Krisensituationen“ die Schrei-Ambulanz Bremen in Anspruch nehmen können. Dafür ist es noch ein bisschen früh, also flugs zurückgeblättert auf Seite 92: Krankenhäuser in Bremen. Seitenweise Daten zu den einzelnen Kliniken, ein Vergleich, der werdenden Eltern bei ihrer Entscheidung helfen soll.

Im Diako zum Beispiel werden tausend Kinder im Jahr geboren, es gibt vier Geburtsräume, und die sind nicht gefliest. Aha. Eine Sprossenwand ist nicht vorhanden. Ist das von übel? Weiter im Text: Die Gebärenden dürfen ihre Schamhaare behalten, Homöopathie wird „großzügig angewendet“, die Dammschnittrate liegt unter 30 Prozent. „Keine Angabe“ zu der Anzahl der Kaiserschnitte. Was ist wichtig, was weniger? Fest steht, dass das Diako nur ein paar Fahrradminuten entfernt ist. Doch ob das am Tag X eine Rolle spielt?

Szenenwechsel. In einem Gebäude Am Dobben, wo Anthroposoph Rudolf Steiner selbst die Türrahmen gezimmert haben muss, treffen wir Ute Frohwitter, eine Hebamme. Sie bietet Frauen die Möglichkeit der „Hausgeburt nicht im eigenen Haushalt“. Ihr „Storchennest“ befindet sich in Fischerhude-Quelkhorn - eine schöne Vorstellung, an einem besonderen Ort sein Kind zu bekommen und dort nach der Geburt versorgt zu werden.

Eine Alternative zur Klinik? Befürchtungen, dass das Storchennest zu weit außerhalb liegt, zerstreut die Hebamme. Zeit für eine Taxifahrt sei beim ersten Kind genug. Die Schwangerschaft müsse aber auf jeden Fall unproblematisch verlaufen sein, so Frohwitter, die mit einer Frauenärztin zusammenarbeitet. Das Problem: Einige Tage nach dem errechneten Geburtstermin fährt die Hebamme in den Urlaub. Die Frage ist: Kommt der Nachwuchs pünktlich?

Die Hebamme, die zwischendurch per Handy einer jungen Mutter Tipps zur Darmpflege gibt, leitet auch Geburtsvorbereitungskurse. Und siehe da: Als Mann ist man nur zu drei finalen Doppelstunden zugelassen, ansonsten sind die Damen unter sich. Die Spannung wächst: Welche geheimen Techniken wird hase an diesen Abenden erlernen? Schließlich ist er auch schon beim Elefanten-Schwimmen (Heißt das wirklich so?) und beim Schwangeren-Tanz nicht mit von der Partie. Dabei ist er doch co-schwanger, wie es in der Fachliteratur genannt wird!

Zurück ins Krankenhaus. „Man kann sich CD`s mitbringen, oder einen bestimmten Duft“, erläutert Hebamme Rita. Sanftgelbe Vorhänge wehen im Abendwind. Ihr Chef, ein entspannter Mensch, der selbst fünf Kinder gezeugt hat, hält einen langen Vortrag. Väter und Mütter stellen besorgte Fragen. Und vorn, auf dem Fernsehschirm, ereignet sich eine Wassergeburt. Zwei Stunden lang. Noch Fragen?

hase