Der Astralleib braucht Ansprache

Alt sein ist keine Krankheit: Die anthroposophisch ausgerichtete Altenpflege versucht schon in der Ausbildung andere Wege im Umgang mit Menschen aufzuzeigen. Ada von der Star, die Leiterin des Fachseminars Altenpflege im Frankfurter Haus Aja-Textor-Goethe, gibt Auskunft

Dass die Anthroposophen mit der Waldorfpädagogik ihrem Nachwuchs den sanften Weg ins Leben ebnen, dürfte sich herumgesprochen haben. Aber was hat die Gemeinschaft mit den Senioren am Hut? Der Umgang mit älteren Menschen sagt mehr über das Menschenbild als ausgefeilte Philosophien. Ada van der Star leitet seit zehn Jahren das Fachseminar Altenpflege im Haus Aja Textor-Goethe in Frankfurt am Main.

taz: Welche Voraussetzungen muss ich mitbringen, um an Ihrer Altenpflegeschule eine Ausbildung machen zu können?

Ada van der Star: Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Nach oben ist das Alter offen. Wir haben Seminaristen bis 50 Jahre. Der Realschulabschluss wird vorausgesetzt; günstig ist es auch, schon einen Beruf gelernt zu haben. Unter unseren Kursteilnehmern sind auch Akademiker und Umschüler.

Was ist in der anthroposophischen Altenpflege anders als bei der herkömmlichen?

Erst mal haben wir ja die normalen Fächer, die laut Prüfungsordnung für die staatliche Anerkennung notwendig sind. Die Hauptunterschiede bestehen in der Art der Unterrichtung und im Schwerpunkt des künstlerischen Unterrichts.

Welche Rolle spielt die Kunst?

In der Kunst fließen Theorie und Praxis zusammen. Beim Malen zum Beispiel lassen sich mit Farbe seelische Stimmungen gut zum Ausdruck bringen. Oder beim Arbeiten mit Ton: Da formt man, da entdeckt man, was im Ton drin ist. Ein plastischer Körper entsteht, wenn ich meine Hände gezielt einsetze. Wenn ich pflegebedürftige Menschen wasche, passiert nichts anderes. Ich spüre mit meinen Händen dem nach, wie der Körper von der Schöpfung gemeint war.

Wie finden Sie denn heraus, wie der Körper von der Schöpfung gemeint war?

Die Eurhythmie ist eine gute Hilfe, den Körper, den eigenen, kennen zu lernen. Das Gespür und die Orientierung verbessert sich, ich bekomme mit, wo Hände und Füße sind. Und die Haltung verbessert sich – auch die innere Haltung in der Arbeit mit Alten.

Welches Bild hat Steiner vom alten Menschen gezeichnet?

Altsein ist keine Krankheit! Zum Menschen allgemein hat Rudolf Steiner vier Wesensglieder herausgearbeitet. Das sind der physische Leib, der Äther- oder Lebensleib, der Astralleib und das Ich. Der Ätherleib umfasst die biologischen Prozesse, der Astralleib den seelischen Anteil. Jedem dieser Wesensglieder sind in unserer Art der Altenpflege Aufgaben zugeordnet. Der physische Leib soll sauber sein, den Ätherleib gilt es zu regulieren, zu fördern oder zu bremsen. Der Astralleib braucht Ansprache – da spielt der persönliche Kontakt eine wesentliche Rolle. Das Ich wird in seiner Individualität respektiert. Es braucht geistige Anregung.

Gerade im Alter ist diese Ansprache wichtig. Um ein Bild zu verwenden: Das Geistig-Seelische spielt auf dem Instrument des Körpers – und der ist im höheren Alter zunehmend verstimmt.

Die Begriffe Astralleib und Ätherleib klingen etwas kompliziert.

Wir verwenden sie auch in der Ausbildung nicht. Wir wollen ja keine Anthroposphen züchten ...

Wie viele Menschen strömen mit diesem Berufsbild pro Jahr in die Altenheime?

Also bei uns sind es etwa 20, im Dortmunder Altenpflegeseminar noch einmal so viele. Nur wenige kommen in unsere anthroposophischen Heime. Unser Ruf ist gut. Die Absolventen werden reißend genommen, weil ihnen nachgesagt wird, sie seien kreativ, verantwortungsbewusst und teamfähig.

Wir bilden ja nicht nur für uns aus. Natürlich freuen wir uns, wenn unsere Absolventen auch den Weg in unsere Heime finden.

Interview: HOLGER KLEMM