Kanther spricht sich selber frei

Als Innenminister gefiel sich Manfred Kanther immer als Mann von Law and Order. Vor dem Untersuchungsausschuss musste er zugeben, Gesetze gebrochen zu haben. Doch das sei nur ein „Fehler“ gewesen, der niemandem geschadet hat

von TINA STADLMAYER

Der Law-and-Order-Mann Manfred Kanther musste gestern vor dem Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre zugeben, dass er ein ganz normaler Gesetzesbrecher ist. Er tat dies mit vollendeter Grandezza. Er habe 1983 einen „irreparablen Fehler“ gemacht, gestand der ehemalige Bundesinnenminister.

Gemeinsam mit dem hessischen Schatzmeister Prinz Wittgenstein habe er beschlossen, einen Teil des CDU-Vermögens auf Auslandskonten zu transferieren anstatt es in den Rechenschaftsberichten der Partei auszuweisen. Warum? „Grund war die Spendenaffäre, die viele prominente Opfer gefordert hat.“ Jeder, der sich damals als Spender betätigt habe, sei „in ein sonderbares Umfeld gekommen“. Das habe er den „Freunden“ der CDU ersparen wollen. „Viele Jahre lang haben wir das auch vermeiden können“, meinte Kanther und erntete dafür lautes Gelächter.

Der zackige Hesse gab zu, er habe gewusst, dass das Geld, als angebliche „Vermächtnisse“ deklariert, in die hessische CDU-Kasse zurückfloss. Er schloss nicht aus, „in ganz wenigen Fällen“ die Anweisung zum Rücktransfer selbst seinem Finanzverwalter Weyrauch erteilt zu haben.

Weitere Geständnisse konnten ihm die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss nicht entlocken. Zwei Stunden lang versicherte Kanther immer wieder, dass er sich weder als Landesvorsitzender noch als Generalsekretär der Hessen-CDU um deren Finanzgeschäfte gekümmert habe.

Erst als der Obmann der Grünen, Christian Ströbele, Kanther daran erinnerte, dass er am Gesetz gegen die Organisierte Kriminalität mitgearbeitet habe, verlor der schneidige Herr die Contenance. Ströbele: „Das Gesetz besagt, dass an der Grenze Beträge ab 20.000 Mark deklariert werden müssen. Haben Sie sich da nicht gefragt, wie Sie das Geld aus der Schweiz wieder zurückbringen?“ Kanther: „Der Zeuge Kanther beantwortet diese Frage wegen ihrer Absurdität nicht. Die beiden Sachen haben nichts miteinander zu tun.“ Er behauptete, durch seinen „Fehler“ von 1983 habe niemand „einen Schaden erlitten oder einen Vorteil erfahren“. Er sei sich keiner Schuld bewusst, beteuerte der als Rechtsanwalt tätige frühere Minister. Auf die Frage von Christine Lambrecht (SPD) hin, ob er den Schaden erkenne, den sein Verhalten der Demokratie zugefügt habe, wurde er böse: „Ich weise Ihre moralischen Vorhaltungen zurück.“

Kanther behauptete, er habe seinem Nachfolger im Amt des hessischen Parteivorsitzenden, Roland Koch, nichts von den Auslandskonten berichtet: „Ich ging davon aus, dass der Vorgang 1995 abgeschlossen war.“ Deshalb sei er „überrascht“ gewesen, als er im vergangenen Jahr erfahren habe, dass noch 17 Millionen auf einem Sschweizer Konto waren.

Der amtierende Ministerpräsident Koch konnte nach diesen Aussagen gelassen vor den Ausschuss treten. Er bestätigte, dass er von Kanther bei der Amtsübergabe 1998 nichts von den Auslandskonten erfahren habe. Er habe auch die Geschichte des Schatzmeisters Wittgenstein geglaubt, dass deutschstämmige Juden im Ausland der CDU Vermächtnisse hinterlassen hätten.

Koch wiederholte lediglich sein Geständnis von Anfang des Jahres: Er habe gewusst, dass im Dezember 1999 ein unklarer Millionenbetrag auf einem geheimen Konto als privates Darlehen des Schatzmeisters an die CDU getarnt wurde. Das sei ihm aber „egal“ gewesen, weil das Dokument nur für die Rechnungsprüfer der Partei bestimmt war.