Oribie, die Farm der Angst

Manchmal kommen sie sehr nahe. Dann wollen sie Nahrung, Decken. Das bekommen sie. Denn sie besetzen Farmen. Auch die der Connors

von KORDULA DOERFLER

Das Haus gleicht einem Hochsicherheitsgefängnis. Da, wo früher der Haupteingang lag, versperrt jetzt ein drei Meter hoher Zaun den Weg. Er steht unter Strom. Nur ganz hinten auf der Rückseite ist ein kleiner Durchlass. Der schmale Pfad zum Haus ist nochmals von beiden Seiten mit Draht gesichert. Man kann ja nie wissen. Misstrauisch wird jeder Besucher beäugt. Es kommt ohnehin fast niemand mehr hierher. Und die, die kommen, melden sich vorher an. Das Telefon funktioniert meistens noch. Und es gibt ja noch das Handy. Das haben alle Farmer in der Gegend mittlerweile. Bei jedem Klingeln zuckt Dawn Connor zusammen. „Die Nerven“, sagt die Farmersfrau entschuldigend. Und die Jüngsten sind die Connors ja auch nicht mehr.

Sie sind dahinten

Die Farm Oribie ist seit Ende Februar besetzt, von so genannten Kriegsveteranen. „Am Anfang waren es ungefähr ein Dutzend Leute, am Wochenende aber werden es fast hundert, wenn die Familien geholt werden“, sagt Dawn Connor. Draußen, auf dem Feld vor dem Wohnzimmer, zieht ein Traktor seine Spuren. Noch können die Connors das Land bewirtschaften, allerdings nur mit erheblichen Behinderungen. Man hinkt der Jahreszeit um Wochen hinterher. Wenn in dieser Woche nicht ausgesät wird, fällt die nächste Weizenernte aus.

Afrika, wo es am schönsten ist. Sanfte, saftige Hügel ziehen sich bis zum Horizont. Das Gras steht fast einen Meter hoch, nach dem vielen Regen in diesem Sommer. Das Enterprise Valley östlich von Harare ist eine der besten Farmgegenden des Landes, die Böden sind gut, lange Dürrezeiten die Ausnahme. Gegenüber der Hauptstraße liegt die Farm Stockholm, die einer der Connor-Söhne bewirtschaftet. Beide Farmen gehören zu den produktivsten in Simbabwe und haben schon mehrere Preise gewonnen.

„Sie sind dahinten.“ Dawn Connor zeigt aus dem Fenster. Owen Connor, Khakishorts, helle Socken und helle Lederschuhe, die Beine sonnenverbrannt, mixt an der Bar die Drinks. Sie spricht von ihrem Mann am liebsten als „Mr. Connor“. Auf einem Sessel liegt ein Löwenfell, an den Wänden hängen Ölgemälde vom Busch. Ein paar schwarze Ränder auf der Wand lassen ahnen, dass es einmal mehr gewesen sind. Dawn Connor hat die anderen abgehängt. Vorsichtshalber. Und die alten Vorhänge wieder aufgehängt. „Ich weiß ja nicht, ob wir die neuen noch mal brauchen werden“, sagt sie.

Sehen kann man sie nicht vom Haus aus. Aber man spürt, dass sie da sind. Sie – die Besetzer, die Kriegsveteranen, die Landlosen, die Arbeitslosen, der Mob, die Partei . . . ein Wort der Angst in Simbabwe. Seit Mitte Februar sind sie wieder auf Oribie, dahinten, wo der so genannte Heroes Acre liegt, ein Friedhof mit Gefallenen aus dem blutigen Befreiungskampf gegen das einstige Mutterland Großbritannien. Nachts hört man sie trommeln. Manchmal kommen sie dem Haus sehr nahe. Dann fordern sie Transportmittel, Nahrung, Decken. Die Connors geben ihnen alles, was sie wollen, selbst ganze Tiere, die dann geschlachtet werden. Auf Oribie fühlen sich alle bedroht. „Auch unsere Angestellten wollten, dass der Bereich um das Haus eingezäunt wird“, sagt Dawn Connor. Viel helfen würde der Zaun nicht, wenn es darauf ankommt.

Die Besetzung ist die zweite innerhalb von eineinhalb Jahren. Ende 1998, als die Regierung drohte, hunderte von Farmen zu enteignen, waren sie schon einmal für mehrere Wochen da. Diesmal sind sie zwar gegenüber den Connors weniger aggressiv als damals, als Dawn ihre hochschwangere Tochter nach Harare in Sicherheit brachte. Dafür ist diesmal aber nicht absehbar, dass sie wieder gehen. Die Polizei, nur zwei Kilometer von der Farm entfernt, tut nichts. Denn sie haben Rückendeckung aus dem Präsidentenpalast in Harare. „Die Besetzungen sind eine Vollendung unserer Revolution“, heißt es dort. Und sie seien friedlich.

Auf den ersten Blick ist das im Enterprise Valley auch so, ein ländliches Idyll, wie sich weiße Kolonialherren einst Afrika vorstellten. Nur Details zeigen, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Das handbemalte Schild auf der rechten Hauptstraßenseite zum Beispiel, das zu einer Nachbarfarm weist und auf dem „Black Power Farm“ steht. Ein paar Kilometer weiter am linken Straßenrand einige Männer unter einer Plastikplane, die als Zeltdach dient. Die Flagge von Simbabwe ist gehisst, auf einer Tafel wird Oppositionsführer Morgan Tsvangirai diffamiert. Die Männer tragen T-Shirts mit einem Bild von Robert Mugabe. Der Älteste ist höchstens 25. Als Simbabwe 1980 unabhängig wurde, war er fünf. Heute nennt er sich „Kriegsveteran“.

Tausende von ihnen haben seit Mitte Februar auf Simbabwes Großfarmen Einzug gehalten und fordern jetzt das Land zurück, das die Weißen ihrer Meinung nach gestohlen haben. Im Enterprise Valley ist fast jede Farm betroffen, Besuchern wird dringend abgeraten, dorthin zu fahren. Das Klima von Aggression und Einschüchterung, das die Regierung schürt, zeigt Wirkung. Seitdem eine benachbarte Farm niedergebrannt worden ist und selbst die Hunde dort grausam misshandelt wurden, treffen sich die Farmer, alle Mitglieder des Verbandes der Großfarmer (CFU), nur noch an wechselnden geheimen Orten, um sich zu beraten. Manchmal sind auch MDC-Leute dabei (siehe Kasten).

Kein Zweifel, die Landverteilung in Simbabwe ist auch zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit zutiefst ungerecht. Rund 4.500 überwiegend weiße Großfarmer besitzen etwa 70 Prozent des besten Ackerlandes, während Millionen von Schwarzen in so genannten Communal Areas, auf schlechten Böden und oft ohne Wasser, unter dem Existenzminimum wirtschaften. Die Schuld allein der weißen „Siedler“, wie die Regierung sie neuerdings wieder nennt, ist das jedoch nicht. Die meisten von ihnen haben längst eingesehen, dass eine Landreform unabdingbar ist, und es gibt auch schon seit zwei Jahren einen mit den westlichen Geberländern und der Regierung ausgehandelten Reformplan. An den allerdings hält sich Mugabe schon längst nicht mehr. Die neue Welle von Besetzungen begann, nachdem er im Februar in einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung seine erste schwere Niederlage einstecken musste. „Die Weißen müssen lernen, dass wir uns das Land zurückholen, das sie gestohlen haben“, stachelte Mugabe die auf, die er bitter nötig braucht, um die nächsten Wahlen zu gewinnen. Mittlerweile sind mehr als 1.000 Farmen besetzt, und jeden Tag werden es mehr.

„Veteranen“, sagt Dawn Connor bitter. „Dass ich nicht lache. Die meisten sind viel zu jung, und es sind viele Frauen darunter.“ Und wieso eigentlich gestohlen? „Wir haben die Farm gekauft, 1942, und seither sehr viel Geld und Arbeit hineingesteckt, um dahin zu kommen, wo wir heute sind.“ Jetzt allerdings geht es um mehr. Jeder neue Tote, der dem Zanu-Pöbel zum Opfer fällt, lässt die Ungewissheit im Land noch größer werden. Mindestens neunzehn sind es mittlerweile, darunter auch drei weiße Farmer.

Doch aufgeben? Niemals. Wie die meisten weißen Simbabwer haben auch die Connors während des Befreiungskrieges gelernt, harte Zeiten durchzustehen. Gewiss, viele „Rhodies“, wie die Weißen nach der einstigen Kolonie Rhodesien genannt werden, sind bis heute zumindest latente Rassisten, behandeln ihre Angestellten bestenfalls mit freundlicher Herablassung nach Feudalherrenart. Und etliche von ihnen haben ihr Herz für die MDC wohl nur entdeckt, weil sie hoffen, damit die Vorherrschaft der Zanu brechen zu können. „Mugabe hat zwanzig Jahre Zeit gehabt, die Landreform in die Tat umzusetzen“, sagt Owen Connor. „Was ist dabei herausgekommen? So gut wie nichts.“ Jetzt befürchten viele Farmer, dass ihre Tage in Simbabwe gezählt sein könnten.

Die Connors gehen nicht

„Wir gehen nicht freiwillig. Ich will das Land nicht verlassen“, sagt Dawn Connor. Anders als manche andere Farmer, haben die Connors keine britischen Pässe, und sie wollen auch keine. „Wir sind Simbabwer“, sagt Dawn Connor. „Wohin sollen wir gehen? Was soll aus uns werden?“

Das fragen sich auch diejenigen, gegen die sich die Gewalt der Eindringlinge in erster Linie richtet: die schwarzen Farmarbeiter. „Wenn die weißen Farmer gehen, gibt es für uns keine Zukunft mehr“, sagt John, einer der Angestellten der Connors. Er möchte nicht, dass sein richtiger Name genannt wird. Und er wagt es nicht, die weiße Journalistin mit in sein Haus, ein paar Hundert Meter vom Farmhaus entfernt, zu nehmen, aus Angst.

Weil sie in Lohn und Brot bei Weißen stehen, werden die Farmarbeiter von denjenigen, die gar nichts haben, als Verräter betrachtet. Auf Verrat steht bei afrikanischen Befreiungsbewegungen meist der Tod. Die mehreren Hunderttausend Farmarbeiter könnten, so befürchtet Mugabe, wahlentscheidend sein. Denn während in den großen Städten die Unterstützung für die Zanu täglich geringer wird, kann sie auf dem Land noch auf ihre Anhänger bauen. Viele der Farmarbeiter allerdings stehen der MDC nahe und haben im Referendum über die neue Verfassung gegen die Partei gestimmt.

Dafür wurden ganze Siedlungen von Farmarbeitern niedergebrannt, ihr weniges Hab und Gut gestohlen, sie selbst verprügelt, gefoltert, ermordet – und in Umerziehungslager gesteckt. So erging es auch Johns Kollegen auf der Nachbarfarm Atlanta. Dort wurde nicht nur das Farmhaus abgefackelt, sondern auch der Wohnkomplex der Arbeiter dem Erdboden gleichgemacht. Das war am 18. April, dem glorreichen 20. Jahrestag der Unabhängigkeit. „Kein Farmarbeiter wird es wagen, auch nur in die Nähe eines Wahllokales zu gehen“, prophezeit Owen Connor. „Doch, wir werden wählen gehen“, sagt John trotzig. „Sie können uns Zanu-T-Shirts anziehen, aber in unsere Herzen können sie nicht hineinschauen.“

Abends halb sechs, höchste Zeit, das Enterprise Valley zu verlassen. Per Funk wird gemeldet, dass es an einer Brücke auf der Hauptstraße „Schwierigkeiten“ gibt. Vor den Toren der Farm Oribie, an ihrem Posten, warten die Veteranen misstrauisch. Als der Wagen die Geschwindigkeit ein wenig drosselt, startet der am Straßenrand stehende Lastwagen mit quietschenden Reifen, Steine fliegen in unsere Richtung. Zum Glück ist das Gefährt alt und langsam. Vor wenigen Tagen haben die Veteranen Rache geschworen dafür, dass sie in den ausländischen Medien als „wilde Siedler“ bezeichnet werden. Sie meinen es ernst. Sehr ernst.