Antigone, die Schlampe

Das „anti gone theater projekt“ präsentierte seine erste Produktion „die letzte bin ich“: eine staubige Angelegenheit

Es gehört viel Mut dazu, einen schon so oft bearbeiteten Stoff wie den der Antigone-Dichtung ein weiteres Mal zu bearbeiten. Wird dafür auch noch die anspruchsvolle Form der Groteske, muss man sich seiner Sache sehr sicher sein. Theaterregisseur und Produzent Jürgen Müller-Othzen war das offenbar, als er mit dem „anti gone theater projekt“ eine solche groteske Bearbeitung einstudierte. Jetzt stellte er in der Schwankhalle seine Produktion „die letzte bin ich - antigone grotesk“ vor.

Gespannt war man jedoch nicht allein auf das kühne Unternehmen des Schweizer Theatermanns. Für die AbsolventInnen der Schauspielschule Waldau-Theater und der Kunsthochschule in Ottersberg war die Premiere der Antigone-Groteske gleichzeitig der Startschuss für ihr gemeinsames Projekt. Getreu dem Motto „Nutze den Raum“ wurde das Publikum auf Sitzreihen an allen vier Wänden der Halle verteilt. In der Mitte lagen unzählige kleine Kisten und einige Puppen. Oder doch nicht, wie sich mit Beginn der Aufführung herausstellte. Tatsächlich hatten sich hier Menschen tot gestellt, die sich nun laut ächzend, stöhnend und kichernd im Staub zu räkeln begannen. „Meine Existenz, aus Staub geboren ist der Mythos!“, sprachen sie im Chor.

Es waren also „Staubgeborene“, graue, schmutzige Figuren, in spärlicher Bekleidung. Die seltsamen Wesen begannen nun damit, das Sophokles-Drama in Szene zu setzen. Für ihre Inszenierung richteten sie zunächst die Bühne ein. Ruck-zuck, und schon war aus sämtlichen herumliegenden Kästen ein Thron geformt, auf dem Kreon sich präsentieren konnte: Ein gelungener Einfall, der die so karg eingerichtete Bühne belebte.

Leider haben sich die Schmutzfinke bei den meisten Szenen auf eine Verhöhnung der Antigone-Figuren geeinigt: „Wie war sie denn wirklich, die kleine Antigone?“ „Schlampe!“ König Kreon (dargestellt von Peter Allmendinger) beschimpft sich als „feiges Arschloch“, und seine Gattin Eurydike (Yvonne Schad) klagt, sie habe sich „hineingeheiratet in diesen Scheiß!“

Ist das grotesk? Das Groteske zeichnet sich dadurch aus, das scheinbar Unvereinbare komisch-verfremdend zu verbinden. Die Verfremdung ist hier zweifellos gelungen. Aber komisch? Etwa Sätze wie „damals, als es noch um die Spendenaffäre ging, bei der Zeu-sisch-Demokratischen-Union ... O, da habe ich wohl in die Zukunft gesehen!“? Es reicht eben nicht aus, ein antikes Drama von beständig „Scheiße“ und „Arschloch“ brüllenden Erdmännchen spielen zu lassen, um grotesk zu sein.

Die wenigen Szenen, in denen sich die Eingestaubten dann doch einmal für Schauspiel ohne Pseudo-Verhöhnung entschieden, offenbarten erst die Fähigkeiten der Schauspieler. So Iokastes Monolog, in welchem Henriette Hense-Knipps die Mutter des Ödipus überzeugend als ewig Verdammte interpretierte.

Leider bot das Stück zu wenige solcher Szenen, zu viele der lauten Hohnrufe. Werden Figuren absichtlich lächerlich gemacht, kann zwischen vorsätzlich schlechtem Schauspiel und tatsächlichen Schwächen oft nicht leicht unterschieden werden. So musste das junge Ensemble sein Potenzial weitgehend im Dunkeln lassen.

Johannes Bruggaier

Aufführungen vom 19. bis 21. Mai