84 Millionen Mark Schulden für die Erben

■ Der Senat will 84 Millionen Mark Schulden außerhalb des Haushaltes für Wirtschaftsförderung aufnehmen / Bezahlt werden soll die Rechnung zwischen 2005 und 2010

Die Haushaltsberatungen für das Jahre 2000/2001 sind noch nicht abgeschlossen, verschiedene Ressorts müssen noch um ihre Mittel zittern, über die Finanzierungslücke im Kulturbereich gab es eine wochenlange Kampagne. Konsumtive Ausgaben können nur beschlossen werden, wenn dafür bei anderen konsumtiven Ausgaben gekürzt wird, so erklärt der Finanzsenator die strengen Regeln der Haushalts-Konsolidierung – das laufende Defizit solle abgebaut und die bremische Staatsverschuldung bis zum Jahre 2005 „nur“ um drei Milliarden wachsen.

Das alles gilt, aber nicht für den Haushalt von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU). Gestern ließ er sich von der Wirtschaftsdeputation 84 Millionen Mark zusätzlich außerhalb des Haushaltes genehmigen – in den ordentlichen Haushaltsberatungen spielt diese Summe keine Rolle. Es geht um Wirtschaftsfördergelder für kleinere und mittlere Betriebe, der Haushaltstitel dafür ist schlicht zu knapp angesetzt, so lautet die Begründung für die Maßnahme. 59,8 Millionen Mark mehr braucht das Ressort, und der Senator ließ sich gleich 23,9 Millionen Mark Zinsen – bis zum Jahre 2010 – mit genehmigen. Zurückgezahlt wird nämlich nicht, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Das Geld, das heute nicht im Haushalt ist, sollen die Parlamentarier in den Jahren 2005 bis 2010 aus den ihnen zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln nehmen – so die kreative Idee.

Wenn der Senat jetzt schon die Wirtschaftsfördergelder des Jahres 2005 ausgebe, sei das „wieder ein Stück aus der Serie: Nach uns die Sintflut“, kritisierte die Grüne Haushaltsexpertin Helga Trüpel. Die Haushaltskonsolidierung werde nicht ernst genommen.

Der SPD-Berichterstatter für den Etat des Wirtschaftsressorts, Joachim Schuster, bemerkte kritisch, die Haushalts-Eckwerte würden vom Senat nur „formal“ eingehalten. Vor allem aber würde der „Spielraum“ für die zukünftige Wirtschaftsstrukturpolitik „erheblich eingeschränkt“, wenn jetzt schon das Geld für 2005 ausgegeben würde. Das könne „zu einem großen Problem werden“. Im Haushalt 2000/2001 ist zudem keine Mark für Werftenhilfe einge-plant; für den Fall, dass die Bremerhavener Werften neue Aufträge bekommen, ist also wieder (wie 1999) keine Vorsorge getroffen.

Der Wirtschaftssenator hat sich eine besondere Begründung für die Maßnahme außerhalb des Haushaltes ausgedacht: Die Ausgabe führe zur Neuschaffung von „rund 2.560 zusätzlichen und zur Sicherung von rund 4.380 vorhandenen Arbeitsplätzen“, das bedeute einen „steuerlichen Effekt“ von 32,4 Millionen Mark pro Jahr, kurz: Die Ausgabe würde „rechnerisch innerhalb von rund drei Jahren durch Steuermehreinnahmen erwirtschaftet“ sein. An diese Einnahme-Rechtfertigung glaubt der SPD-Wirtschaftspolitiker Schuster nicht: Es sei „keineswegs gesichert“, schreibt er vorsichtig, dass die Ausgaben sich in entsprechenden zusätzlichen Einnahmen niederschlagen würden.

Mit solchen Milchmädchen-Rechnungen versucht Bremen seit acht Jahren seine Sanierung zum Erfolg zu erklären. Die Argumentation aber hat einen wesentlichen Fehler: Wenn es in Bremen zu Mehrheinnahmen durch Steuern kommt, sinken die „Einnahmen“ aus dem Länderfinanzausgleich. Die SPD-Haushaltsexpertin Cornelia Wiedemeyer bezeichnete das kürzlich sogar als weitgehendes „Nullsummenspiel“.

Es sei „grundsätzlich richtig“, dass bremische Steuermehreinnahmen als Folge von Wirtschaftsförderung zu Abzügen beim Länderfinanzausgleich führten, sagt der Sprecher des Wirtschaftssenators. Der Finanzausgleich funktioniere derzeit wie kommunizierende Röhren: „Aber wir müssen davon ausgehen, dass sich das ändert.“ K.W.