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Risikokapital, auf der Suche nach Geschäftsideen

Wagnis-Kapitalgesellschaften suchen händeringend Existenzgründer, denen sie unter die Arme greifen können. Chancen haben aber nur junge Unternehmen aus den Boom-Branchen wie Internet, Biotechnologie und Informationstechnologie. Andere gehen leer aus

Die Internet-Euphorie hat es möglich gemacht – das Geschäft mit dem Risikokapital boomt, auch in Berlin. Wer ein Unternehmen gründen will und eine gute Geschäftsidee hat, nicht aber das nötige Kleingeld – dem blieb bisher nur der Gang zur Bank. Darüber hinaus konnten die Gründer versuchen, diverse öffentliche Förderprogramme in Anspruch zu nehmen. In den vergangenen Jahren hat sich der Trend hin zu einer anderen Kapitalakquise verstärkt: Beteiligungsgesellschaften stellen immer mehr so genanntes Wagnis-, Risiko- oder Chancenkapital, im angelsächsischen Raum „Venture Capital“ (VC) genannt, zur Verfügung.

Innerhalb von zwei Jahren hat sich das Volumen des investierten Kapitals nahezu verdoppelt. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften betrug es im vergangenen Jahr rund 15,5 Milliarden Mark, auf Berlin entfielen davon 935 Millionen Mark. Zwar liegt das Land Berlin mit einem Anteil von knapp 8 Prozent weit hinter den strukturstarken Ländern wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen zurück.

Als Stadt sei Berlin aber unter den ersten Dreien, sagt Sven Ripsas vom Berliner Venture Capital Club. Zum Vergleich: Die Stadtstaaten Hamburg und Bremen verzeichnen einem Anteil von rund 4 bzw. 1 Prozent.

Mehr als 200 Firmen sind in Berlin nach Expertenschätzungen mit Hilfe von Beteiligungen gegründet worden. Eine davon ist space2go.de. Die 15 Mitarbeiter der vor zehn Monaten entstandene Internetfirma haben den weltweit ersten Onlinedienst zur Synchronisation von Datenbeständen zwischen Computern, Organizern und Handys entwickelt. Das Ziel: Die Kunden können überall über sämtliche Daten verfügen; das Aktualisieren von Dateien auf dem Heim-, Büro- und tragbaren Rechner entfällt. „Ohne Beteiligungskapital hätte es uns nicht gegeben“, sagt Geschäftsführer Christian Huthmacher. Ein solventer Privatmann, auf Neudeutsch „business angel“ genannt, habe rund 4 Millionen Mark in das Unternehmen gesteckt. Das waren 90 Prozent der Startfinanzierung.

Auf dem herkömmlichen Kreditmarkt ist das undenkbar. Das Prinzip der Risikokapitalbeteiligung unterscheidet sich von Bankenkrediten: Während Existenzgründer Kredite in jedem Fall zurückzahlen und Sicherheiten bieten müssen, tragen die Venture-Capital-Geber das Risiko für ihr eingesetztes Kapital. Das Kalkül: Ist das geförderte Unternehmen erfolgreich, können die Anteile nach ein paar Jahren mit Gewinn verkauft werden. Ökonomen sprechen von einer klassischen Win-win-Situation: Das Unternehmen erhält dringend benötigtes Kapital, und die Beteiligungsgesellschaft zieht Gewinn aus ihren eingesetzten Geldern. Ein Börsengang ist dabei nicht unbedingt erforderlich.

Sven Ripsas vom Venture Capital Club führt den Boom des Beteiligungsgeschäfts dennoch auf die Einführung des Neuen Marktes zurück – hier ist es für junge, aufstrebende Unternehmen relativ leicht, an Börsenkapital zu kommen.

Damit können die Firmen, so die Theorie, weiter expandieren und Profite einstreichen. In der Folge steigen die Kurse, die Beteiligungsgesellschaft kann die Aktien mit Gewinn verkaufen. Selbst wenn ein Unternehmen, wie in der Internet-Branche häufig der Fall, kein Geld macht, können die Kurse aufgrund euphorischer Erwartungen steigen. Die Shareholder-Value-Orientierung am Neuen Markt, die die Steigerung des Aktienkurses in den Mittelpunkt der Managementpolitik stellt, passt zur Venture-Capital-Philosophie. Das Ziel ist nicht, langfristig orientierte Unternehmen zu fördern, sondern möglichst schnell Gewinne einzufahren. In der Regel verkaufen die Beteiligungsgesellschaften nach drei bis acht Jahren ihre Anteile.

Dass das nicht bei allen Firmen Profit bringt, kalkulieren die Kapitalgeber bereits ein. „Nur rund 20 Prozent der geförderten Frimen sind high flyer“, sagt Ripsas. Die bei ihnen erzielten Gewinne von bis zu 500 Prozent müssen die Verluste bei den anderen ausgleichen. Nach Ripsas Angaben melden 20 bis 30 Prozent der VC-geförderten Gründerfirmen Konkurs an, das eingesetzte Kapital ist futsch. Kein Wunder, dass sich die Beteiligungsgesellschaften ein gehöriges Mitspracherecht bei den Gründern verschaffen. Grundsätzliche Entscheidungen müssen dann penibel mit den Geldgebern abgesprochen werden.

Schlechte Karten haben die Gründer dennoch nicht: „Leute mit guten Geschäftsideen werden händeringend gesucht“, sagt Christina Hufeland, Sprecherin der Wirtschaftsförderung Berlin. Sven Ripsas: „Es gibt mehr als genug Geld, das nach einer profitablen Anlage sucht.“ Den Grund sieht der Venture Capital Club Berlin, der Existenzgründer mit potenziellen Geldgebern zusammenbringen will, in der nachlassenden Internet-Euphorie. „Es ist schwieriger geworden, im Netz Geld zu machen.“ Die Beteiligungsgesellschaften schauten mittlerweile sehr genau hin, wen sie fördern. Chancen hätten ohnehin nur Gründer aus den In-Branchen: Internet, Biotech, Software-Entwicklung, IT.

Zudem sind die Gründer heiß begehrt, weil immer mehr Geldgeber in die VC-Branche einsteigen: Privatbanken, Versicherungen, Privatanleger, akademische Institutionen und private Anleger haben mittlerweile Beteiligungsgesellschaften gegründet.

Über Sparkassen und Landesbanken ist sogar die öffentliche Hand engagiert, die sonst eifrig bemüht ist, ihre Unternehmen zu privatisieren. In Berlin wurden bereits Gasag, Bewag und Wasserbetriebe (teil)verkauft, demnächst könnten BVG, BSR und die Krankenhäuser an der Reihe sein. Der Staat müsse sich aus der Wirtschaft zurückziehen, lautet die Begründung.

Verkehrte Welt im Venture-Capital-Geschäft: Die IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, eine Tochter der Investionsbank Berlin, ist zurzeit an mehr als 30 Unternehmen beteiligt, in diesem Jahr sollen noch einmal rund 15 hinzukommen. RICHARD ROTHER

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