Kein Schwein will mehr sparen

Rechnungshofpräsident Horst Grysczyk mahnt bei der Präsentation des Jahresberichtes die Fortsetzung des Sparkurses an. Offenbar habe das Bewusstsein über den Ernst der Kassenlage noch nicht alle Senatoren und Verwaltungen erreicht

von DOROTHEE WINDEN

Rechnungshofpräsident Horst Grysczyk hat die Präsentation des Rechnungshofberichtes gestern genutzt, um dem Senat die Leviten zu lesen: „Die Sanierung des Landeshaushaltes droht zu einer unendlichen Geschichte zu werden.“ Erst 2009 soll die Aufnahme neuer Schulden beendet sein und nicht wie geplant im Jahr 2004. In neun Jahren wird der Schuldenberg von 68,7 Milliarden Mark auf 84,7 Milliarden Mark angestiegen sein. Im Jahr 2009 wird das Land allein 6,9 Milliarden Mark für Zinsen ausgeben. Das ist fast jede vierte Mark, die die öffentliche Hand in der Hauptstadt ausgibt.

„2001 ist der schwierigste Haushalt seit der Vereinigung der beiden Stadthälften“, stellte Gryscyk fest. Für die derzeit laufenden Haushaltsberatungen gab er Finanzsenator Peter Kurth (CDU) volle Rückendeckung. „Ich kann nur alle auffordern, ihn zu unterstützen. Es ist nicht seine Aufgabe allein, den Haushalt zu konsolidieren, sondern die des gesamten Senats.“

Kurth hatte in der vergangenen Woche beklagt, dass einige Senatoren in ihrem Ressort keine weiteren Einsparungmöglichkeiten sehen oder sogar mehr Mit- tel als im Vorjahr angemeldet hätten.

Dabei ist die Lage so schwierig wie nie: Um 1 Milliarde Mark muss noch gekürzt werden, damit die Ausgaben unter 40 Milliarden Mark bleiben. 4,7 Milliarden Mark müssen durch weitere Vermögensverkäufe bezahlt werden. Zudem muss das Haushaltsdefizit aus dem Jahr 1999 in Höhe von 3,45 Milliarden Mark ausgeglichen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Steuerreform der Bundesregierung voraussichtlich zu 1,2 Milliarden Mark Mindereinnahmen führt.

Angesichts der desolaten Haushaltslage müsse man eigentlich annehmen, dass die Verwaltung jede Mark des Steuerzahlers zweimal umdreht, bevor sie sie ausgibt, sagte Grysczyk. Er habe jedoch „keine wirklich ernsthafte Bewusstseinsänderung feststellen können“.

Der Rechnungshofbericht führt denn auch zahlreiche Beispiele von unwirtschaftlichem Verhalten auf (siehe unten). Insgesamt sind dem Land Berlin durch Versäumnisse, Fehler und nicht realisierte Einsparmöglichkeiten mindestens 833 Millionen Mark entgangen. Den größten Anteil machen mit 676 Millionen Mark die fünf städtebaulichen Entwicklungsgebiete aus. Diese Neubaugebiete wurden zwischen 1992 und 1994 im Überschwang beschlossen, als noch von einem deutlich höheren Bevölkerungszuzug in die Hauptstadt ausgegangen wurde.

Der Rechnungshofpräsident unterbreitet in seinem Bericht auch eine Reihe von Einsparvorschlägen, die aber nur empfehlenden Charakter haben: Im öffentlichen Dienst sei ein weiterer erheblicher Stellenabbau notwendig, so Grysczyk. Eine dauerhafte Senkung der Personalausgaben sei unverzichtbar, um den Landeshaushalt zu sanieren.

Als Beispiel für möglichen Stellenabbau verwies der Rechnungshofpräsident auf die sehr unterschiedliche Stellenausstattung in den Bezirksverwaltungen: In Schöneberg-Tempelhof kommen auf 1.000 Einwohner 11,38 Verwaltungskräfte. In Marzahn-Hellersdorf sind es dagegen 18,22. Der Rechnungshof nimmt Schöneberg-Tempelhof zum Maßstab für eine durchschnittliche Stellenausstattung, weil der Bezirk aufgrund seiner Alters- und Sozialstruktur repräsentativ sei. Eine Angleichung der anderen Bezirke würde rechnerisch eine Einsparmöglichkeit von 11.328 Stellen mit einem Wert von 850 Millionen Mark jährlich ergeben.

Auch bei der Lehrerarbeitszeit sieht Grysczyk noch Handlungsbedarf. Die vor kurzem unter heftigen Protesten beschlossene zusätzliche Unterrichtsstunde für Lehrer ist für ihn erst der „Einstieg in die Anpassung an westdeutsche Verhältnisse“. Er widersprach damit Schulsenator Klaus Böger (SPD) und den Gewerkschaften, die weitere Mehrarbeit für Lehrer ablehnen.